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Opium bei Frau Rauscher

Opium bei Frau Rauscher

Titel: Opium bei Frau Rauscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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Revolvers, auf seine Gattin zu. Trotzdem waren seine Schritte zögerlich. Sabine wich um einen halben Meter zurück.
    Herr Schweitzer begann zu schwitzen und schnaufte schwer. Er wähnte sich im falschen Film. In einem Stummfilm, denn kein Geräusch drang durch die bestens isolierte Doppelverglasung des großen Fensters. Er registrierte, wie ihm die Knie weich wurden. Hätte er sein Handy mitgenommen, er hätte die Polizei verständigt. Innerlich fluchte er. Sich aus der Deckung zu wagen und einzumischen, hielt er für höchst unangebracht. Zu viel Zivilcourage konnte tödlich sein. Und er hatte noch einiges vor im Leben, also mußte er am selbigen bleiben.
    Trotz der immensen Bedrohung hatte sich Jürgen seiner Frau immer weiter genähert. Lola schien sich im Nichts aufgelöst zu haben.
    Und dann war doch etwas zu hören. Kurz hintereinander ertönten leise zwei dumpfe Schläge, die Herrn Schweitzer an eine Spielzeugpistole denken ließen. So eine, wie er in seiner Jugend immer zu Fasching benutzt hatte, als er im Cowboykostüm und Platzpatronen verpulvernd feindlichgesinnte Indianer zur Strecke brachte. Allerdings sackte daraufhin Jürgen zusammen, so daß sich das mit dem Spiel erledigt hatte. Ungläubig hielt er sich die Hände vor den Bauch. Zuerst landete er auf seinen Knien. Dann warf er Sabine noch einen Blick zu. Schließlich fiel er bäuchlings auf den Teppich und blieb dort regungslos liegen. Sabine indes starrte wie in Trance auf die Pistole, als könne sie nicht glauben, was soeben geschehen war. Lola blieb verschollen.
    Herr Schweitzer hatte schon längst mit dem Filmen aufgehört. Die Kamera baumelte an seinem Hals. Die Kapuze war nach hinten gerutscht, und Regentropfen rannen über sein Gesicht. Der Würgreiz war nicht mehr zu beherrschen, so übergab er sich in den Brunnen. Mit beiden Händen umkrallte er die Statue inmitten des Beckens aus Sandstein. Einen weiteren Blick aufs Fenster wagte er nicht. Blitzende Sterne tanzten um seine Stirn. Als er das Schlagen einer Tür vernahm, ließ er sich auf die nasse Erde fallen. Mit letzter Kraft schleppte er sich hinter den Sockel. Ihm war nicht danach, sich auf dem Präsentierteller zu zeigen. Wer weiß, zu was Sabine jetzt, da sie sich warmgeschossen hatte, noch fähig war.
    Aus seiner Deckung heraus sah er sie vorbeirennen. Noch immer war sie barfuß. Der Revolver hing wie ein Fremdkörper in der rechten Hand.
    Noch nie in seinem Leben war Herr Schweitzer in einer derartigen Lage gewesen. Millionen Gedanken bemächtigten sich seiner. Ein konstruktiver war bei der ersten Durchsicht nicht dabei. Lediglich die Tatsache, daß ihn wahrscheinlich keine Menschenseele bemerkt hatte, drang zu ihm durch. Viele Tage später erst sollte in ihm die Erkenntnis reifen, es wäre am besten gewesen, die dreihundert Meter zu Maria zu rennen, um von dort die Polizei zu verständigen. Doch jetzt war jetzt, und alles andere nichts als Hypothese. Außerdem war er in Aufruhr. Wer wollte es ihm in Anbetracht des Dramas verdenken?
    Herr Schweitzer wußte zwar, daß er um nichts in der Welt Lolas Haus betreten wollte, warum er aber stattdessen Sabine auf den Fersen blieb, konnte er später weder der Polizei noch sich selbst erklären. Zuerst hatte er sich sogar nicht mal gewundert, als sie an ihrem Auto, das ja direkt vor der Tür stand, vorbeigerannt war. Obwohl er am liebsten für den Rest seines Lebens liegengeblieben wäre, raffte er sich auf. Sich immer wieder umschauend, ob nicht Lola doch noch auftauchte, schlich er gebückt und unglaublich flink zum Gartentor. Sabine erspähte er drei Laternen weiter Richtung Darmstädter Landstraße. Sein Herz raste wie wild. Er nahm die Verfolgung auf. Seiner Achtung vor Revolvern Gebühr zollend achtete er darauf, den Abstand nicht zu verringern. So lange die Mörderin auf der Straße blieb und nicht nach rechts im Stadtwald verschwand, war das auch kein Problem. Am kleinen Parkplatz gegenüber der Sportanlage der TG Sachsenhausen bog sie nach links. Sie hatte an Geschwindigkeit eingebüßt, was Herr Schweitzer sehr begrüßte, sein konditioneller Zustand war nämlich ebenfalls unter aller Kanone. Ein vorbeirasender Mittelklassewagen mit aufgeblendeten Scheinwerfern spritzte eine riesige Wasserfontäne auf ihn. Gerade noch brachte er seine Hände schützend vor die Kamera. „Paß ja gut drauf auf.“ Er hatte die Worte seiner Liebsten noch deutlich im Ohr.
    Beim Überqueren der Darmstädter Landstraße bei der Sachsenhäuser Warte, in

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