Opium bei Frau Rauscher
einen war er wegen des ausgefallenen Mittagsschlafes sehr, sehr müde. Zum anderen konnte er laut Schmidt-Schmitt um die Ecke denken. Jaja, der Schmidt-Schmitt. Es könnte nicht schaden, mit dem mal einen trinken zu gehen. Er machte einen aufgeweckten Eindruck, sah nicht so aus, als verschmähte er Alkohol und hatte obendrein nichts gegen Privatdetektive. Beste Voraussetzungen also für einen intensiven Gedankenaustausch. Morgen würde er Sabine sagen, daß er am Ball bleibe. Heute würde er sich mit der Rotweinflasche anfreunden und sein restliches Gras aufrauchen. Gott hat uns die Zeit geschenkt, von Eile hat er nichts gesagt. So sagt man in Finnland. Auf Herrn Schweitzer und Sachsenhausen ließ sich das ebenfalls anwenden.
Den nächsten Tag ließ er gemütlich angehen. Marias Kühlschrank war wie immer gut bestückt. Seine zwei Spiegeleier garnierte er mit spanischer Chorizo, Zwiebeln und Knoblauch.
Vom sicheren Fensterplatz aus sah Herr Schweitzer einen weiteren rabenschwarzen Vormittag heraufziehen. Zwar regnete es noch nicht, doch war dies nur eine Frage der Zeit. Eine tiefhängende Wolkendecke drückte auf die Seelen der Frankfurter Einwohnerschaft. Am besten, dachte er, man geht wieder ins Bett und wartet auf den Frühling. Doch Herr Schweitzer wollte sich seinen Aufgaben stellen. Per Telefonat versicherte er Sabine, sich auf die Suche nach Jürgen zu begeben. Hahaha, begann er hernach sein Selbstgespräch, ich habe ja nicht mal einen Ansatzpunkt, wo sich der Juwelier, so er denn noch am Leben weilte, aufhalten könnte. Er wäre froh gewesen, gäbe es eine wenn auch noch so abwegige Spur. Gelangweilt tigerte er zwischen Marias Skulpturen herum. Zu seinem Leidwesen hatte ihm Schmidt-Schmitt gestern auch noch gesagt, er wolle heute freimachen. Zwar besaß Herr Schweitzer dessen Handynummer, aber er genierte sich ein wenig, den Oberkommissar zu stören. So wie der in letzter Zeit aussah, dachte er, verschläft er den kompletten Tag. Und wenn er etwas nachvollziehen konnte, dann war es das Schlafbedürfnis anderer Menschen.
Verdrießlich erinnerte er sich an den Zustand seiner eigenen Wohnung. Im Prinzip war seit Wochen Großreinemachen angesagt. Da der Tag eh gelaufen war, gab sich Herr Schweitzer einen Ruck. Seine Mitbewohnerin war arbeiten, so konnte er sich nach Gutdünken mit Wischmop und Wassereimer austoben. Ein Blick nach draußen verriet ihm, daß es noch trocken war. Er schloß alle Fenster und machte sich auf die Socken. Mit den ersten schweren Regentropfen erreichte er seine Wohnung im Mittleren Hasenpfad. Herr Schweitzer schaltete sein Hirn aus und begab sich an die Arbeit.
Als der Putzteufel drei Stunden später mit dem vorgezogenen Frühjahrsputz fertig war, fiel er ermattet in die Federn. Er war zufrieden mit sich. Bad und Küche erstrahlten in neuem Glanze, und es roch nach frischer Zitrone. Laura würde ihn mit Lobeshymnen überschütten. Aktivierte Räucherstäbchen begleiteten seinen Schlaf.
Weder die Tageszeitung noch die Nachrichten im Radio brachten neue Erkenntnisse im Mordfall Sikora an den Tag. Lustlos stöberte Herr Schweitzer in den Unterlagen zur Führerscheinprüfung. Er wurde das Gefühl nicht los, jemand hatte ihm einen gebrauchten Tag angedreht. Nie im Leben würde er es sein, der Jürgen aufspürte. Dead or alive, kamen ihm Sabines Worte in den Sinn. Er schaute auf die Uhr. Viertel vor fünf. Zu nichts hatte er Bock. Herr Schweitzer überlegte, ob er sich in eine Kneipe setzen und besaufen sollte, dieser Tag hatte nichts anderes verdient. Selbstverständlich schüttete es, als würde gleich die Welt untergehen. Wenn doch wenigstens Maria da wäre, man könnte ins Kino oder ganz toll essen gehen. Das Weinfaß war auch keine rechte Alternative. Ausnahmsweise würde ihn das dort übliche Dummrumgebabbel nur noch mehr runterziehen. Es war die pure Langeweile, die ihn dazu veranlaßte, sich ein heißes Bad zu gönnen. Danach wollte er zum Abendbrot kurz in eine Apfelweingaststätte und sich später mit einem Buch ins Bett begeben. Doch es kam anders.
Der Handkäs war nicht worst case, sondern best Käs gewesen. Das Frankfurter Nationalgericht hatte seine Lebensgeister reanimiert. Herr Schweitzer war wieder bester Dinge. Er saß allein an einem Tisch im Eichkatzerl und genoß das Treiben um sich herum. Etliche Rentner saßen beim Abendschoppen. Kinder tobten durch die Bankreihen. Ein zotteliger Hund hatte sich vor dem Ofen niedergelassen. Die Wirtsleute Gabi und Helmut hatten
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