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Opium bei Frau Rauscher

Opium bei Frau Rauscher

Titel: Opium bei Frau Rauscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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dene Drogen gedealt. Stimmt das?“
    „Stimmt“, antwortete er einsilbig und wunderte sich wieder einmal über die Sachsenhäuser Gerüchteküche, gleichwohl er es hätte besser wissen müssen.
    „Und daß die desdewesche dichtgemacht ham, das stimmt auch?“
    Es schien nicht der richtige Augenblick für eine allumfassende Aufklärung zu sein, denn dafür hätte er ganz weit ausholen müssen. Bei Lola zum Beispiel. „Ja, desdewesche ham die dichtgemacht. Wesche dene Droge.“
    Sein Handy klingelte. Es war Ferdi, der ihm erklärte, es werde etwas später, er habe gerade einen Fahrgast nach Hanau gehabt. „Kein Problem. Ich hab gerade Spaß mit dem Nackten Jörg“, erwiderte Herr Schweitzer und unterbrach sofort die Verbindung. Sollte Ferdi sich doch seine Gedanken machen.
    Beim nächsten Glas Nackter Jörg rief der Taxifahrer erneut an, es werde noch später, an der Mainkur habe er einen Platten, und der Ersatzreifen sei auch platt, aber ein Kollege komme demnächst vorbei und befreie ihn aus der mißlichen Situation.
    So kam es, daß Herr Schweitzer an diesem Tag zum wiederholten Mal ziemlich blau war, als Ferdi endlich um Viertel vor neun eintraf. Nichtsdestotrotz konnte er des Taxlers Ausführungen betreffs der Versicherungsproblematik problemlos folgen.
    Er, Ferdi, sei sich zwar nicht hundertpro sicher, wie die Rechtslage heutzutage sei, aber gerade diese Konstellation habe er während seiner Lehrzeit durchgenommen. Zwar habe sich die Versicherungsgesellschaft damals gesträubt wie ein verklemmte Jungfrau, aber als klar war, daß die Staatsanwaltschaft nicht in die Revision gehen würde, blieb ihr nichts anderes übrig, als die Summe an den Typen, der unter Verdacht stand, seine Frau gemeuchelt zu haben, dann aber aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden sei, auszuzahlen. Klar, die haben sich gewehrt wie verrückt, denn jede Verzögerung bringe erhebliche Zinserträge, aber zum Schluß haben sie in den sauren Apfel beißen müssen. Unter anderem könne er sich auch deswegen so prima erinnern, weil späterhin, etwa ein Jahr nach dem Freispruch, Beweise aufgetaucht seien, die den Mörder einwandfrei seiner Tat überführten, aber da war er schon über alle Berge. Und die Pinkepinke mit ihm, auch klar. „Wieso willst du das alles wissen?“
    „Weil ich ein Fuchs bin. Du kennst mich doch.“
    „Und seit wann sind Füchse schwul und haben was mit unserem Nackten Jörg?“
    Wie immer ließ Herr Schweitzer das einfache Volk nicht im Regen stehen. Per Daumen wies er Ferdis Blick den Weg zur Schiefertafel. „Da steht’s. Drei fünfzig kostet ein Gläschen. Und Bertha hat mir hoch und heilig versichert, der Nackte Jörg habe wirklich nicht reingepißt.“
    Crailsheim, Kreisstadt im Landkreis Schwäbisch Hall, an der Jagst gelegen, 31.900 Einwohner, 1323 erstmals als Stadt genannt.
    Mit Umsteigen in Nürnberg hatte Herr Schweitzer etwas über drei Stunden gebraucht. Und wieder schien die Sonne. Und alle außer Herrn Schweitzer freuten sich darüber. Ein Brummschädel wie anno dazumal in Vang Vieng ließ jede Erschütterung zur Qual werden. Er saß an einem Brunnen in der Altstadt. Hüpfballgroße Marmorkugeln wurden durch Wasserdruck nach oben gepreßt und ließen sich ohne große Mühe mit einem Finger um die eigene Achse drehen. Doch Herr Schweitzer hatte im Augenblick für derartige physikalische Betrachtungsweisen kein Auge. Er hielt Ausschau nach Obdachlosen, Punks, Hippies und ähnlichen Wesen, die nicht ins Raster der Spießbürgerlichkeit paßten.
    „Ick bin aus Berlin, weeßte“, hatte er vor drei Minuten die erste Abfuhr erteilt bekommen. Ein langhaariger Bombenleger war der Adressat seiner Frage gewesen, ob jener eventuell einen komischen Typen kenne, der hier in Crailsheim permanent mit giftgrüner Trainingshose und einem markanten hellblauen Käppi rumlaufe und auf den Namen Harald höre.
    Es gehört zur Hoffnung, enttäuscht zu werden. Mit diesem schlauen Satz im Gepäck hatte Herr Schweitzer die Reise angetreten. Doch auf etwas mehr alternatives Pack hatte er schon gehofft. Das Straßenbild jedoch war geprägt von Menschen, denen man die in Baden-Württemberg beheimateten Häuslebauer schon auf zehn Meter gegen den Wind ansah. Die Sonne drohte, seinen Schädel zu platzen. Schwerfällig erhob er sich. Durst.
    Keines Blickes würdigte er das Rathaus, das früher einmal als Kornspeicher und Versammlungssaal der Landstände diente. Durst.
    Kleine Lichtblitze kündigten einen Kreislaufkollaps an.

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