Optimum 1
würdigte Rica keines Blickes, während sie sich an ihr vorbei Richtung Tür schob.
»Denkt daran, was ich euch gesagt habe«, sagte der Rektor. Eliza drückte die Klinke hinunter. »Ihr beide.«
Rica stopfte die Hände in die Hosentaschen. Sie hatte das Gefühl, sonst irgendetwas zerschlagen zu müssen. Und wenn es die Nase des Rektors war. Sie erwiderte nichts auf seine abschließenden Worte, sondern folgte Eliza stumm auf den Gang hinaus.
Sie hatte befürchtet, wieder von Herrn Schaller abgeholt zu werden, der sicher dafür sorgen sollte, dass sie aus dem Schulhaus verschwanden, doch der Gang lag so dunkel und verlassen vor ihnen wie vorhin, als sie das Schulhaus das erste Mal betreten hatten. Eliza hatte nicht auf Rica gewartet, sondern war schon vorausgegangen. Rica musste sich beeilen, um sie einzuholen, und selbst dann sah ihre Freundin nicht auf. Rica seufzte und respektierte eine Weile lang Elizas Schweigen. Stumm gingen sie nebeneinander her, doch irgendwie merkte Rica, dass es dieses Mal kein gutes, kein freundschaftliches Schweigen war. Da stand etwas zwischen ihnen, das sie nicht beschreiben konnte. Unsichtbar und ungreifbar. Sie hoffte nur, Eliza hatte den Bullshit mit dem schlechten Einfluss nicht geglaubt und kündigte ihr jetzt die Freundschaft, oder so was. Eigentlich war Eliza nicht so dumm, aber jetzt, da sie solche Angst hatte – wer wusste schon, wie sie reagieren würde?
In der Eingangshalle hielt Eliza schließlich inne, drehte sich um und blickte zum Treppenhaus. Rica folgte ihrem Blick. »Meinst du, wir sollten jetzt schnell hochlaufen, um die Sachen zu holen?«, flüsterte sie.
Wieder sagte Eliza eine lange Zeit lang nichts, dann wandte sie sich Rica zu. Ihr Gesicht schimmerte blass in der Dunkelheit, es sah aus wie bei einem Gespenst. »Ich will mit dem Zeug nichts mehr zu tun haben«, sagte sie tonlos. »Ich habe genug von diesen sinnlosen Nachforschungen.« Und damit drehte sie sich um und marschierte geradewegs auf die Eingangstür zu.
Kapitel fünfzehn
Streit
Rica stand einige Sekunden lang wie angewurzelt am Fuß der Treppe und starrte Eliza hinterher. Sie konnte nicht fassen, was sie da eben gehört hatte. Und sie konnte auch nicht ganz glauben, dass Eliza das ernst meinte.
Rica sah von der Eingangstür zur Treppe und wieder zurück, dann fasste sie einen Entschluss. Ohne darauf zu achten, wie finster es im Treppenhaus war, rannte sie die Stufen hinauf. Vier Stockwerke im Laufschritt, bis sie endlich vor dem Foto mit dem Jahrgang von 2008 angekommen war. Hastig drehte sie das Bild um, zog Papiere und USB-Stick heraus und stopfte beides kurzerhand in ihren Ausschnitt, bevor sie die Stufen wieder hinunterrannte. Völlig außer Atem kam sie wieder am Fuß der Treppe an. Die ganze Aktion hatte nicht länger als zwei, drei Minuten gedauert. Jetzt musste sie nur noch Eliza einholen.
Die kühle Nachtluft empfing sie, als sie aus dem Gebäude lief. Rica sah sich um und entdeckte Elizas schmale Gestalt ein Stück weiter weg auf dem Kiesweg. Sie ging sehr langsam, fast, als wollte sie eingeholt werden. Rica rannte los und schloss zu ihr auf. Eliza hielt inne, als sie Ricas Schritte hörte, und drehte sich zu ihr um. Auf ihrem Gesicht spiegelten sich die verschiedensten Emotionen: Angst, Wut, Trauer, ein bisschen Erleichterung. Rica hatte sie noch nie so verwirrt gesehen. Einen Augenblick lang sah es so aus, als wolle Eliza ihr in die Arme fallen, doch dann verhärteten sich ihre Züge, sie drehte sich wortlos um und marschierte weiter Richtung Schülerunterkünfte.
Rica lief ihr nach und packte sie am Arm. Mit der freien Hand zog sie die Papiere aus dem Ausschnitt ihres T-Shirts hervor. Sie waren ziemlich zerknittert und etwas feucht am Rand. Rica drückte sie Eliza in die Hand. »Nimm du sie!«, zischte sie. »Du hast sie immerhin gefunden.«
Eliza wich so weit zurück, wie Ricas Griff das zuließ, und schüttelte den Kopf. »Interessiert mich nicht mehr«, murmelte sie. »Lass mich gehen! Ich hab doch gesagt: ich habe keine Lust mehr auf diese ganzen Untersuchungen. Ich möchte einfach nur mein Leben weiterleben.«
Rica ließ sie los. Sie war ein bisschen erschrocken über sich selbst. So grob hatte sie überhaupt nicht sein wollen. Die Blätter hielt sie ihr allerdings immer noch entgegen. »Wir müssen herausfinden, was mit Jo passiert ist«, beharrte sie. »Das hast du doch auch gesagt.«
Eliza wich noch einen Schritt zurück. »Mir ist langsam egal, was mit Jo passiert
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