Optimum 1
ist. Wir bringen uns nur selbst in Gefahr, wenn wir zu viele Fragen stellen, ist dir das nicht klar? Irgendwann fliegst du von der Schule, und ich … mich …« Offensichtlich konnte sie nicht mehr weitersprechen. Ihre Augen wurden riesengroß, und die nackte Angst stand in ihrem Blick. Rica verstand nicht ganz, wovor sie sich so fürchtete, und für einen Moment hatte sie das Bedürfnis, Eliza den Arm um die Schultern zu legen und beruhigend auf sie einzureden. Es wird alles wieder gut.
Doch dann, als hätte jemand einen Schalter in ihrem Inneren umgelegt, verschwand alles Mitgefühl aus ihr, floss heraus wie Wasser durch ein Sieb. Und zu ihrer eigenen Überraschung bemerkte Rica, dass sie wütend wurde. Wütend auf den Rektor, der versucht hatte, ihr Angst zu machen. Wütend auf den Hausmeister, weil er Kameras in seinem Büro installiert hatte. Und vor allem wütend auf Eliza. Rasend wütend. Was fällt dir eigentlich ein, du kleine Streberin. Als ob es dir irgendwie schlechter ginge als mir!
»Du kannst mich doch nicht einfach so im Stich lassen«, fuhr sie Eliza an. Der Zorn stieg brodelnd in ihrem Inneren hoch. Rica ballte die Fäuste. Ihre Fingernägel bohrten sich in ihre Handflächen, und alles, was sie tun konnte, war, nicht zuzuschlagen. »Nach allem, was wir schon erreicht haben. Und du willst einfach aufgeben? Bloß wegen des blöden Rektors?« Sie krallte die Finger um die Zettel, sodass sie noch mehr verknickten und ein Teil vom Rand einriss … »Nimm das Zeug und mach einfach weiter! Ohne dich versteh ich doch auch gar nicht, was da drinsteht.«
Eliza starrte auf die Seiten. Nach ihrem Gesichtsausdruck zu urteilen, hätte Rica ihr genauso gut eine Giftschlange hinhalten können. Dann schnappte sie plötzlich nach den Zetteln, riss so fest daran, dass eine Ecke davon in Ricas Hand zurückblieb, weil diese nicht schnell genug losgelassen hatte. Das Geräusch von reißendem Papier klang fürchterlich laut in der stillen Nacht.
»Das ist also alles, wozu du mich brauchst«, zischte Eliza und knüllte die Papiere zu einem Ball zusammen. Für einen Moment sah es so aus, als wolle sie sie fortwerfen, aber dann stopfte sie sie in ihre Hosentasche.
Rica wich einen halben Schritt zurück. Ein Anflug von Angst verdrängte ihre Wut. Angst vor Eliza. »Nein, so hab ich das nicht gemeint.« Sie suchte nach Worten, fand jedoch keine und warf Eliza einen flehenden Blick zu.
Doch die ließ sich nicht so schnell beruhigen. »Du bist auch nicht besser als alle anderen hier. Weil du etwas von mir willst, bist du nett zu mir. Darum bist du plötzlich meine Freundin. Aber wie es mir dabei geht, daran denkst du überhaupt nicht. Dass ich mich vielleicht ein bisschen ausgenutzt fühlen könnte oder ich mir vielleicht im Gegensatz zu anderen hier um meine Zukunft Gedanken mache, ist dir vollkommen egal. Hauptsache, du bekommst deinen Willen, oder?« Ihre Stimme war im Laufe dieser Sätze immer höher und schriller geworden, man konnte sie bestimmt bis zum Schulhaus hören. Ihr Gesicht war verzerrt vor Wut. Vielleicht war es sogar Hass. Und als ob dieser Hass auf Rica abfärbte, kehrte deren eigener Zorn auch zurück. Wie ein Schleier, der sich über ihre Gedanken und Gefühle legte, ein blutroter Schleier, der sie alles nur noch verschwommen sehen ließ.
»Weißt du was? Du bist einfach nur feige. So feige wie alle anderen hier«, knurrte sie. »Kaum droht man dir ein bisschen, schon kuschst du. Kein Wunder, dass die Lehrer dich hier für ihre Zwecke ausnutzen. Du lässt dich ja auch ausnutzen. Du tust es sogar gern, glaube ich. Du bist wie ein kleiner Hund, der alles für seine Besitzer tut und sich dann schwanzwedelnd bedankt, dass er ihnen behilflich sein konnte.« Sie schnaubte. »Ich denke, auf deine Hilfe kann ich in Zukunft verzichten.«
»Bist du sicher?«, höhnte Eliza. »Eben warst du noch ganz wild darauf. Weil du allein nämlich zu blöd bist, all die Zusammenhänge zu verstehen. Wenn du mich fragst, hat der Rektor recht, du hast an dieser Schule überhaupt nichts verloren. Ich frage mich, warum sie dich überhaupt aufgenommen haben.«
Ricas Fäuste zuckten. Am liebsten hätte sie Eliza direkt ins Gesicht gehauen. Warum tat sie es eigentlich nicht? Vielleicht lag es an der leisen Stimme in ihrem Hinterkopf. Du bist gerade nicht du selbst, Rica, reiß dich zusammen!
»Elite-Snob«, stieß Rica hervor. »Du bist genauso hochnäsig wie alle anderen hier. Fein, sei nur stolz auf deine Leistungen. Liefere
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