Optimum 1
hat sie nichts gesagt. Sie wollte auch nicht, dass ich die ganze Woche irgendwo bin, wo sie mich nicht im Auge hat.
»Aber es gibt noch gar keinen Grund, über diese Option zu reden«, sagte der Rektor gerade gönnerhaft. »Ich wollte dich nur darauf hinweisen. Wir haben jederzeit die Möglichkeit, dich anderswo unterzubringen. Vielleicht lässt dich das deine Position an dieser Schule noch einmal überdenken.«
Rica nickte stumm. Er hätte sich nicht wiederholen brauchen, sie hatte die Warnung verstanden. Was nicht bedeutete, dass sie vorhatte, mit ihren Nachforschungen aufzuhören. Es bedeutete nur, dass sie von jetzt an vorsichtiger sein musste. Aber immerhin hatten sie es schon geschafft, etwas aus Frau Jansens Büro hinauszuschmuggeln. Damit war das Ganze hier doch nicht umsonst gewesen.
»Nun zu dir, Eliza.« Der Rektor wandte sich von Rica ab. Sie hörte, wie ihre Freundin unruhig auf ihrem Sessel hin und her zu rutschen begann. Plötzlich erinnerte sie sich wieder an Elizas Stipendium und dass ihre Eltern von sich aus nicht bereit waren, das Schulgeld zu bezahlen. Es wäre schrecklich, wenn Eliza jetzt ihretwegen von der Schule flog. Sie wusste, dass Eliza es an einer normalen Schule keinen Tag aushalten würde. Rica ballte die Hände zu Fäusten und wartete.
»Ich weiß, dass du dich zu dieser Sache hast verleiten lassen.« Kaum zu glauben, dass die Stimme, die eben noch so boshaft geklungen hatte, jetzt so sanft schnurren konnte. »Dich trifft zwar immer noch ein Teil der Schuld, aber ich kenne dich nach all den Jahren gut genug, um zu wissen, dass du so etwas normalerweise nie gemacht hättest.«
Rica musste schlucken, um nicht bitter aufzulachen. Nur zu, schiebt die Schuld immer nur schön auf die Neue . Vorurteile waren doch etwas Feines. Sie warf einen Seitenblick zu Eliza, um zu sehen, wie die darauf reagierte, aber Eliza hatte den Kopf immer noch so weit nach vorn geneigt, dass ihre roten Haare wie ein Vorhang zwischen sie und Rica fielen. Von ihrem Gesicht war nicht das Geringste zu erkennen. Sie hockte da wie ein Häuflein Elend. Rica hätte die Freundin am liebsten in den Arm genommen.
»Trotzdem können wir das nicht einfach durchgehen lassen, das ist dir hoffentlich klar.« Der Rektor sah sie forschend an. Aber Eliza zeigte weiterhin keine Regung. »Wir werden deine Nachmittagskursauswahl noch einmal überprüfen. Ich glaube, dass du dich zu viel mit theoretischen Dingen beschäftigst, all diese Sprachkurse. Wir werden sehen, ob wir nicht etwas Passenderes für dich finden können. Vielleicht mehr in Richtung Management und soziales Verhalten.«
Immer noch keine Reaktion von Eliza, aber Rica konnte spüren, dass sich etwas an ihrer Freundin veränderte. Es war wie eine Art Geruch, der jetzt von ihr ausging. Angst, Abneigung, ja sogar Hass. Einen Moment lang erwartete Rica fast, dass Elizas Haare sich von allein aufstellen würden, wie bei einem Hund, der das Fell sträubt. Aber noch immer blieb sie regungslos.
»Außerdem werden wir zusätzliche Stunden bei Frau Jansen verordnen müssen«, fuhr der Rektor unbeeindruckt fort. Rica fragte sich, ob er Elizas Angst ebenfalls riechen konnte. »Du musst versuchen, deine Impulse unter Kontrolle zu bekommen, und ich glaube, an deinen sozialen Fähigkeiten müssen wir auch arbeiten.« Der Rektor warf einen Blick zu Rica und machte gehässig weiter: »Wir wollen auch über die Auswahl deines sozialen Umfeldes sprechen. Du hast eine große Zukunft vor dir, wenn man von deinen Leistungen und Talenten ausgeht. Das wollen wir doch nicht aufs Spiel setzen, indem du dich mit den falschen Leuten abgibst, oder?«
Eliza rührte sich nicht. Rica dagegen presste die Zähne fest aufeinander. Die falschen Leute? Schon klar.
»Ihr könnt jetzt gehen«, meinte der Rektor ziemlich unvermittelt und erhob sich. »Ihr habt mir genug Schlaf geraubt und solltet auch selbst zusehen, dass ihr ins Bett kommt. Ich werde nicht dulden, dass eine von euch morgen zu spät zum Unterricht erscheint. Nächtliche Einbrüche sind keine legitime Entschuldigung für Schwänzen.«
Ganz der Lehrer . Langsam, mit einem Gefühl, als wären ihre Arme und Beine mit Blei gefüllt, stand Rica auf. Eliza blieb noch einen langen Moment in der gleichen Position sitzen. Erst als Rica ihr die Hand hinstreckte, um ihr aufzuhelfen, regte sie sich. Sie griff allerdings nicht nach der Hand, sondern stemmte sich selbst aus dem Sessel hoch, genauso langsam und müde, wie Rica sich fühlte. Sie
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