Optimum 1
Augenblicken bemerkte sie, dass sie sich unwillkürlich Elizas Atemrhythmus angepasst hatte. Sie warf einen Seitenblick zu ihrer Freundin. Eliza hatte die Hände auf dem Schoß verkrampft und blickte nicht auf. Rica musste sich richtiggehend anstrengen, um wieder ruhig und normal zu atmen.
»Was habt ihr beide in Frau Jansens Büro gesucht?«, fragte der Rektor schließlich.
»Wir wollten nur …« Rica hatte begonnen, bevor sie sich wirklich überlegt hatte, was sie eigentlich sagen wollte, und machte den Mund rasch wieder zu, als ihr keine Erklärung einfiel. Sie konnte den Blick des Rektors auf sich spüren.
»Bitte entschuldigen Sie, es ist meine Schuld«, sagte Eliza plötzlich.
Rica musste sich sehr zusammenreißen, um ihre Überraschung nicht zu zeigen. Sie bemühte sich um ein unbeteiligtes Gesicht.
»Deine Schuld?« Der Rektor wandte sich nun Eliza zu, die ihn immer noch nicht anguckte. »Inwiefern?«
»Ich wollte unbedingt wissen, was aus Torben geworden ist. Wir haben gesehen, wie er heute abgeholt worden ist, und Frau Jansen hat Rica gesagt …« Eliza warf einen kurzen Blick zur Seite, als erwarte sie eine Bestätigung. Rica nickte. »Frau Jansen hat gesagt, er ist in eine Anstalt oder so etwas gebracht worden. Ich wollte wissen, wo er jetzt ist. Ich meine … Torben und ich …« Sie wurde tatsächlich rot und verstummte. Rica gratulierte ihr im Stillen zu dieser Vorstellung. Sie sah wirklich so aus wie eine besorgte Freundin, jemand, der aus Liebeskummer alles Mögliche tun würde.
Nun ergriff Rica das Wort. »Es tut mir leid, ich wollte nur helfen. Wir dachten, dass Frau Jansen vielleicht etwas in ihrer Akte über Torben notiert hat oder dass sie eine Telefonnummer von dieser Anstalt hat, und deswegen habe ich den Schlüssel aus dem Büro von Hausmeister Schaller gestohlen. Wir wollten wirklich nur einen kurzen Blick in die Akte werfen, das ist alles.« Sie konnte spüren, wie auch ihr das Blut ins Gesicht stieg. Sie wünschte sich, sie wäre eine genauso gute Lügnerin wie ihre Mutter. Sie nahm sich ein Beispiel an Eliza und schaute nun auch auf ihre Schuhspitzen hinunter. »Wir sind nicht mal bis ins Büro gekommen, da mussten wir uns schon verstecken, weil Herr Schaller uns entdeckt hatte.«
Der Rektor schwieg. Gern hätte Rica aufgesehen, um zu kontrollieren, wie ihre Geschichte wohl angekommen war, aber sie wagte es nicht. Als die Pause immer länger wurde, fing sie an, in ihren Taschen zu kramen und zog den Schlüssel zu Frau Jansens Büro hervor. Mit zitternden Fingern legte sie ihn vor den Rektor auf die Tischplatte. »Tut uns leid, wirklich«, murmelte sie. »Kommt auch nicht wieder vor. Wir haben uns eben Sorgen gemacht.«
Der Rektor lachte. Es war ein leises, spöttisches Lachen, als könne er nicht glauben, dass sie versuchten, mit so einer Geschichte bei ihm durchzukommen.
Rica sah weiterhin auf ihre Schuhe hinunter und versuchte, sich mit nichts zu verraten. Vergeblich.
»Herr Langfeld und Frau Jansen haben mir schon von deiner merkwürdigen Fixierung auf Josefine erzählt«, sagte der Rektor mit ruhiger, beinah heiterer Stimme. »Ich glaube, wir beide wissen genau, was du in diesem Büro gesucht hast, nicht wahr, Ricarda?«
Rica hob zögernd die Schultern, sagte aber nichts. Was gab es dazu auch noch groß zu sagen?
»Ich finde es allerdings nicht sehr nett von dir, dass du jetzt auch noch deine Freunde in diese Geschichte mit hineinziehst«, fuhr der Rektor fort, und sein Blick wanderte zu Eliza.
»Ich wollte doch nur wissen, was aus Torben geworden ist«, flüsterte Eliza, aber Rica war nun klar, dass jeglicher weitere Versuch sinnlos war. Der Rektor wusste ziemlich genau, was hier vorging, und nur wenn sie Glück hatten, kaufte er ihnen wenigstens ab, dass sie es nicht bis in das Büro geschafft hatten. Sie fragte sich, was wohl als Nächstes passieren würde. Flog sie von der Schule? Und wenn ja, was wurde dann aus ihrer Mutter? Sie hatte nichts getan, es wäre schrecklich, wenn sie wegen Rica ihre Anstellung verlieren und sich mitten im Schuljahr einen neuen Job suchen müsste.
»Tut mir leid«, wiederholte sie nach einer scheinbaren Ewigkeit, in der wieder niemand etwas gesagt hatte. »Wir … ich höre damit auf. Versprochen.«
»Das will ich dir auch geraten haben.« Der Rektor atmete tief durch. »Euch beiden, um genau zu sein. Ich verstehe, dass Josefines Tod euch zugesetzt hat, aber jetzt seid ihr eindeutig zu weit gegangen. Und grundlose Verdächtigungen
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