Optimum - Kalte Spuren
einfach heraus, aber es war nur ein heiseres Wispern. »Das würden Ihre Arbeitgeber doch sicher nicht gern sehen .« Sie schluckte. »Andrea hat auch Ärger bekommen, als sie es versucht hat. Ich habe das Telefongespräch belauscht .« Rica schloss die Augen und betete, dass die Erwähnung dieses Namens irgendeinen Effekt haben würde. Um genau zu sein, war sie sich nicht mal sicher, ob Andrea Ärger bekommen hatte. Oder wenn ja, ob es deswegen gewesen war.
Der Mann lachte leise. »Andrea war eine Null. Eine Anfängerin. Sie hatte keine Ahnung, wohin wir mit dem Projekt wollen und wer wichtig ist und wer nicht. Sie hätte Jo nicht töten sollen, das ist richtig. Aber du …« Er lachte wieder. »Du nimmst dich zu wichtig, Rica. Du magst Thomas’ Tochter sein, und das Institut ist ein bisschen neugierig, was das für Auswirkungen haben mag. Aber mehr als eine nette Kuriosität bist du nicht .«
Ricas Herz raste noch schneller als zuvor. Sie wagte nicht, die Augen wieder zu öffnen, weil sie dann in das schwarze Auge des Pistolenlaufs blicken musste. »Warum erzählen Sie mir das alles ?« , flüsterte sie. »Ist der Bösewicht, der am Ende all seine Pläne verrät, nicht ein schreckliches Klischee ?«
Zu ihrer Überraschung schwieg der Mann. Rica wagte kaum zu atmen, sie erwartete jeden Moment, den Schuss zu hören. Doch zu ihrer Überraschung passierte nichts. Nach einigen Augenblicken traute sie sich, zu blinzeln. Der Mann hielt die Pistole immer noch auf sie gerichtet, aber auf sein Gesicht war ein nachdenklicher Ausdruck getreten.
»Du bist viel zu schlau, weißt du das ?« Er seufzte. »Wenn ich dich wenigstens in den Schnee hinausschicken könnte. Dann wäre das Problem auch erledigt .« Beinah widerwillig ließ er seine Waffe sinken.
»Heißt das, Sie wollen mich nicht erschießen ?«
»Das heißt, ich weiß nicht recht, was ich mit dir anstellen soll « , gab er zurück. »Laufen lassen kann ich dich aber nicht. Ich denke, du verstehst sehr gut, warum .«
Rica zuckte mit den Schultern, dennoch fiel ihr ein riesiger Stein vom Herzen. Sie fühlte sich so erleichtert, dass sie hätte singen können. Ich werde nicht sterben.
»Und nun ?« Mit der Erleichterung kehrte auch ihr Mut zurück. »Erzählen wir uns jetzt gegenseitig unsere Lebensgeschichte, oder wie läuft das ?«
Der Mann starrte sie finster an. »Deine große Klappe kannst du dir gern für eine andere Gelegenheit aufheben .« Er hob die Pistole wieder ein Stück an. »Du gehst jetzt ganz schnell ins Badezimmer dort hinten .« Er deutete mit dem Kinn in Richtung der Tür, hinter der sich Nathan, Eliza und sie vor einer gefühlten Ewigkeit versteckt hatten.
»Sie haben selbst gesagt, dass Sie mich nicht erschießen werden. Warum sollte ich tun, was Sie sagen ?« Rica versuchte, immer noch genauso mutig zu klingen, aber sie merkte, dass ihre Stimme wieder zu zittern begann.
»Weil ich es mir vielleicht doch noch anders überlege « , erwiderte der Mann ruhig. »Im Zweifelsfall finde ich sicher eine gute Ausrede für das Institut. Auch wenn ich es lieber nicht tun würde. Aber du weißt ja. Wenn ein Mann gezwungen wird, ist er bereit, alle möglichen seltsamen Dinge zu tun .«
Rica schluckte. Der Lauf der Pistole zitterte nicht im Geringsten. Nie hätte sie sich träumen lassen, dass sie mal in so eine Situation kommen würde. Ein schlechter Agentenfilm war gar nichts dagegen. Aber sie kam sich nicht wie in einem Film vor. Es war nicht einmal spannend. Sie hatte einfach nur riesige Angst. Ob man die Kugel noch sehen kann, bevor man sie in den Kopf bekommt?
»Los doch !« Der Pistolenlauf zuckte kurz, und Rica fuhr zusammen, weil sie überzeugt war, dass der Mann geschossen hatte.
»Okay « , meinte sie. »Okay, ich gehe ja schon .« Langsam setzte sie sich in Bewegung. Ihre Beine fühlten sich schrecklich steif an, als hätte sie sie seit Ewigkeiten nicht mehr benutzt. Sie hatte Angst, dem Mann den Rücken zuzuwenden, es fühlte sich wie eine Einladung zum Schießen an. So ein Unsinn. Er kann dich genauso gut von vorn erschießen. Wir sind ja nicht im Wilden Westen. Trotzdem brauchte es all ihre Willenskraft, um sich umzudrehen und in Richtung des Badezimmers zu gehen. Sie zog die Tür zu dem winzigen Raum auf und trat hinein. Als sie sich umdrehte, machte sich der Kerl an der Tür zu schaffen.
»Damned, kein Schlüssel « , murmelte er mehr zu sich als zu Rica. Dann sagte er lauter: »Ich habe feine Ohren. Wenn du die Tür auch nur einen
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