Optimum - Kalte Spuren
Hirn suchte verzweifelt nach irgendetwas Logischem, an dem es sich festhalten konnte.
»Okay, ist ja gut. Aber danach sollten wir uns dringend unterhalten.« Torben stand auf und wickelte gleichzeitig Ricas Jeans noch fester um das Bündel, bis nichts mehr von dem Tier zu sehen war. »Von allen hier bist du noch diejenige, von der ich glaube –«
Doch Rica wollte ihn nicht aussprechen lassen. Sie wollte sich nicht mehr besprechen. Sie wollte keine Verantwortung übernehmen. Sie wollte nicht, dass Torben sie für fähig hielt. Sie wollte einfach nur ihre Ruhe haben. Und von hier fort. Mehr denn je.
»Bring ihn weg!«, fuhr sie Torben an. »Verschwindet. Alle beide!«
Enttäuschung flackerte über Torbens Züge, doch er nickte, drehte sich um und verließ das Zimmer, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Im gleichen Moment, in dem die Zimmertür hinter ihm zuschlug, schoss Rica zum Waschbecken und drehte den Wasserhahn auf. Kühles Wasser strömte über ihre Finger. Rica schnappte sich die Seife und begann, ihre Hände zu schrubben, bis sie ganz rot waren und vor Kälte schmerzten. Selbst unter den Fingernägeln kratzte sie, bis keine Spur von Hundeblut mehr zu sehen war. Die ganze Zeit über kämpfte sie gegen die Übelkeit an, die in ihr aufsteigen wollte. Draußen legte sich der Tumult allmählich, aber Rica achtete überhaupt nicht mehr darauf. Sie ließ sich rücklings auf ihr Bett fallen, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und starrte an die Decke. Auch als Eliza völlig übermüdet ins Zimmer zurückgetaumelt kam und ins Bett fiel, reagierte Rica nicht. In ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken.
Dir werde ich’s zeigen, du verfluchter Mistkerl! Gleichzeitig hatte sie eine Heidenangst. Und eiskalt war ihr. So kalt, als würde sie nie wieder warm werden.
Erst, als Nathan herein kam, schien etwas in Rica wieder aufzutauen. Sie wandte den Kopf zur Tür und versuchte ein schwaches Lächeln, als er sich neben sie auf die Bettkante setzte.
»Torben hat mir erzählt, was passiert ist«, meinte Nathan leise. »Bist du okay?«
Zu ihrer eigenen Überraschung brach Rica in Tränen aus. Schluchzend warf sie sich in Nathans Arme. »Kannst du heute Nacht hierbleiben?«, brachte sie undeutlich hervor und war unendlich erleichtert, als er nickte.
Kapitel zwölf
Abgeschnitten
Es war eine schlimme Nacht. Rica wäre am liebsten einfach weggelaufen, aber das war auch keine Lösung. Der Kerl wusste, in welchem Zimmer sie schlief, sicher hatte er inzwischen auch ihren Namen und ihre Adresse herausgefunden. War es nicht so, dass Serienmörder ihr Opfer verfolgten und nicht wieder aus den Augen ließen?
Rica wälzte sich von einer Seite auf die andere. Das Haus schien auf einmal nur noch aus Geräuschen zu bestehen, jedes Knarren von Holz, jedes Quietschen einer Bohle, jedes Rascheln von Mäusen unter dem Dach ließ Rica hochschrecken. Jedes Mal, wenn das passierte, beugte sie sich über die Bettkante herunter und sah nach, ob Nathan noch da war. Er hatte sich seine Matratze aus dem Zimmer hierhergeschleppt und sich ein Lager zwischen Elizas und Ricas Gepäck bereitet. Rica beneidete ihn um seinen festen Schlaf, jedenfalls bis sie zum sechsten Mal aufwachte und über die Kante nach unten spähte.
»Kannst du nicht mal Ruhe geben?«, murmelte Nathan, offensichtlich im Halbschlaf. »Wenn hier jemand reinkommt, dann fällt er erst mal über mich. Und ich beiße ihn dann ins Bein.«
Rica musste ein Kichern unterdrücken und zog sich ins Bett zurück. Danach verzichtete sie darauf, jedes Mal nach Nathan zu schauen, wenn sie aufwachte, aber aus Gründen, die sie selbst nicht richtig verstand, schlief sie nun besser. Vielleicht hatte die Müdigkeit sie endlich eingeholt.
Nach dieser langen Nacht schien der Tag gar nicht so recht kommen zu wollen. Während Rica die Augen aufschlug, meinte sie erst, ihr Wecker müsste sich irren, als er neun Uhr anzeigte. Das Licht, das durchs Fenster fiel, war so trüb, dass sie kaum mehr als diese Leuchtziffern erkennen konnte. Sie setzte sich auf, schwang die Beine aus dem Bett und dachte gerade noch rechtzeitig daran, Nathan auszuweichen. Der würde sich bedanken, wenn ich einfach auf ihn trete. Auf bloßen Füßen tappte sie zum Fenster. Sie bereute es sofort. Erstens war der Fußboden eiskalt, sodass ihr fast die Zehen abfroren, und zweitens konnte sie draußen das sehen, was sie bereits befürchtet hatte: Schneewehen. Mannshoch und höher, so hoch, dass die Fenster des Aufenthaltsraums
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