Optimum - Purpurnes Wasser (German Edition)
starrte die Haustür an und fragte sich, wie sie unbemerkt wieder da reinkommen sollte. Sie hatte sich überhaupt keine Gedanken darüber gemacht, als sie vorhin aus der Wohnung geflüchtet war. Die Liebe macht dumm, dachte sie und lächelte dabei, obwohl ihr nicht sehr danach zumute war. Sie hatte sich lange mit Robin ausgesprochen, hatte ihm endlich alles gesagt, was sie wusste, oder zu wissen glaubte, hatte ihm von Nathan, Eliza und ihrer Mail erzählt, von ihren Verdachten, von ihrer Mutter, ihrem Vater, dem Büroschlüssel. Alles. Es war befreiend gewesen, und danach hatte Rica sich deutlich leichter und wohler in ihrer Haut gefühlt, aber das Ganze hatte ihr auch gezeigt, wie wenig sie im Grunde wusste.
Robin war klasse gewesen. Er hatte zugehört, ihre Hand gehalten, sie getröstet, ihr gut zugeredet und am Ende sogar Vorschläge gemacht, wie sie ihre Nachforschungen weiterbringen konnte. Er war kein Stück eifersüchtig auf Nathan gewesen, oder zumindest hatte er es sich nicht anmerken lassen. Er hatte versprochen, sich morgen früh Nathans Mail anzusehen, und er hatte vorgeschlagen, dass Rica ihn doch einfach anrufen sollte. Die Ausrede, dass Nathan nicht mal auf ihre SMS geantwortet hatte, hatte er nicht gelten lassen. »Ruf noch mal an«, meinte er. »Immer wieder. Damit er merkt, dass du dir Sorgen machst.«
Ich mache mir Sorgen. Robin hätte es nicht besser auf den Punkt bringen können. Da war eine Unruhe in Rica, die selbst Robin nicht würden abstellen können. Sie wusste nicht, wann sie je ihre Ruhe wieder zurückgewinnen würde. Hoffentlich bald. Es wäre mal etwas anderes, einfach einen unbeschwerten Abend mit Freunden verbringen zu können.
Es kam Rica so vor, als starre die Haustür sie feindselig an. Inzwischen hatte ihr Kopf wieder zu hämmern begonnen, und sie fühlte sich matt und ausgepowert. Trotzdem blieb ihr nichts anderes übrig, als zur Vordertür hereinzugehen und sich ihrer Mutter zu stellen. Wenn sie das überhaupt musste. Vielleicht war sie ja auch schon ins Bett gegangen.
Klar, nachdem sie vorher einen Streit mit Frau Jansen über mich gehabt hat. Bestimmt hat sie danach in mein Zimmer gesehen. Nur, um zu wissen, ob ich etwas mitbekommen habe. Und ich glaube kaum, dass sie auf die alte Geschichte mit der Bettdecke wirklich hereinfällt.
Rica seufzte tief, stieg die wenige Stufen zur Tür hinauf und schloss auf. Die Stufen knarrten unter ihren Füßen, als sie die Treppe zur Wohnung hinaufstieg. Rica hatte das Gefühl, das ganze Haus könne sie hören. Sie erwartete, dass ihre Mutter die Wohnungstür aufriss und ihr ein Donnerwetter entgegenschrie, wie sie das früher mal gemacht hatte, als Rica erst um drei Uhr von einer Party zurückgekommen war. Mehrere Nachbarn waren damals aufgewacht und hatten neugierig aus den Wohnungen gespäht. Das war Rica unangenehmer gewesen als das Donnerwetter selbst. Kaum ein Jahr war die Geschichte her, aber Rica kam es wie eine Ewigkeit vor. Etwas, das in einem anderen Leben passiert war.
Vor der Wohnungstür blieb sie stehen und starrte sie an. Sie kam ihr vor wie der Eingang zu einer Monsterhöhle in einer schlechten Fernsehserie. Nun ja. Monstern musste man sich stellen. Rica zückte ihren Schlüssel und schloss auf.
Nur eine kleine Wandlampe brannte, als Rica ins Wohnzimmer trat. Ihre Mutter saß am Tisch und sah Rica so ruhig entgegen, als hätte sie gewusst, dass sie gerade jetzt heimkommen würde. Vermutlich hatte sie die Schritte auf der Treppe doch gehört.
Rica ließ ihren kleinen Rucksack von der Schulter gleiten und hängte ihn an die Garderobe. Dann zog sie ihre Jacke aus und hängte diese ebenfalls auf. Ihre Mutter schwieg die ganze Zeit über, und auch Rica fiel nichts mehr ein, was sie sagen könnte. Schließlich blieb sie mit hängenden Armen in der Tür stehen und sah ihre Mutter ebenfalls einfach an.
Schweigen.
Es schienen Stunden zu vergehen, in denen keiner etwas sagte. Schließlich seufzte ihre Mutter. Es klang unendlich traurig.
»Du hast für die nächsten vier Wochen Hausarrest. Mindestens.« Sie schüttelte den Kopf.
Rica schluckte, wollte etwas sagen, aber ihr Mund fühlte sich staubtrocken an. Sie versuchte ein schwaches Lächeln. »Ich war nur im Café.«
»Nachdem du dich einfach rausgeschlichen hast, obwohl ich es dir verboten habe.«
Rica kaute auf ihrer Unterlippe herum und suchte vergeblich nach einer Antwort. »Sorry«, brachte sie schließlich heraus. »Ich wollte Robin sehen.« Sie versuchte ein
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