Optimum - Purpurnes Wasser (German Edition)
Geld geradezu nachgeworfen.
Aber genug davon. Wenn du immer noch an Informationen interessiert bist, möchte ich, dass wir uns persönlich treffen. Ich will dich von Angesicht zu Angesicht sehen, und außerdem gestaltet sich so eine Geldübergabe sehr viel einfacher. Wenn du einverstanden bist, schick mir eine kurze Mail, dann können wir einen Treffpunkt vereinbaren.
Und damit du merkst, dass ich tatsächlich etwas zu verkaufen habe, hier ein kleines Bruchstück: Das Daniel-Nathans-Institut hat schon vor fast vierzig Jahren das erste Retortenkind erschaffen, Jahre bevor der erste offizielle Erfolg vermeldet wurde. Dieses »Kind« ist Thomas Rausner, ein Mann, der ab und an immer noch für das Institut arbeitet.
Wie du siehst, verfolgt das Institut große Pläne im Bereich der Biotechnologie. Wenn du aber mehr wissen willst, dann müssen wir uns wirklich treffen.
Viele Grüße,
Andrea
Eliza starrte die Mail an, als könnte sie sie beißen. Thomas Rausner. Ricas Vater. Dass er für das Institut arbeitete, hatten sie ja gewusst, aber dass er sozusagen von ihnen erschaffen worden war … Eliza schauderte. Das war ja fast so schlimm wie ihre eigene Geschichte. Oder schlimmer? Sie selbst konnte sich nicht vorstellen, wie es war, auch noch für diese Leute zu arbeiten.
Ricas Vater. Sie presste die Lippen aufeinander. War das etwas, was sie Rica erzählen wollte? Immerhin fragte sich ihre Freundin schon die ganze Zeit, was ihr Vater mit dem Institut zu tun hatte. Aber das hier fühlte sich irgendwie viel zu persönlich an. Und dann war da noch die Sache mit Nathan.
Eliza warf einen schuldbewussten Blick auf ihr Chatfenster, aber Nathans Screenname war noch immer ausgegraut. Schon, als sie Nathan kennengelernt hatte, war er ihr schrecklich bekannt vorgekommen. Er sah Rica einfach zu ähnlich. Von einem Bruder hatte Rica allerdings nie etwas erzählt, und sie war niemand, der mit so etwas hinter dem Berg halten würde. Also – wusste sie offensichtlich selbst nichts davon. Es blieb eigentlich nur eine Erklärung: Ricas Vater hatte noch ein Kind. Nathan. Irgendwann, bevor er Ricas Mutter kennengelernt hatte, musste er schon einmal mit einer Frau zusammen gewesen sein. Wie Nathan dann allerdings zu der Gesellschaft gekommen war, die ihn adoptiert hatte, wusste Eliza nicht. Zumindest bis jetzt nicht. Nun, da sie wusste, was mit Ricas Vater los war, ergab sich da ein ganz anderes Bild.
Wenn es stimmte, dass Ricas Vater das erste Retortenkind gewesen war, dann war es nur natürlich, dass sich das Institut für seinen Sohn interessierte. Und wenn dann noch Nathans Mutter das Kind zur Adoption freigab … Eliza schüttelte den Kopf. Sie wusste nicht recht, was sie denken sollte. Ricas Vater hatte in der Skihütte überhaupt nicht auf Nathan reagiert, hatte ihm keinen zweiten Blick geschenkt. Wusste er vielleicht gar nicht, dass er noch ein Kind hatte?
Das alles war ziemlich konfus, und Eliza hätte sich sehr gewünscht, mit irgendjemandem darüber sprechen zu können. Aber ihre einzigen Ansprechpartner bei dieser Sache waren Rica und Nathan. Keiner von ihnen würde besonders begeistert sein, wenn sie einfach mit dieser Neuigkeit herausplatzte. Und dann war da noch die kleine Komplikation, dass Eliza verliebt war. Richtig verliebt, mit Schmetterlingen im Bauch und allem Drum und Dran. Das war kein Geheimnis, und Rica wusste natürlich davon, so wie sie Eliza immer ansah. Aber trotzdem war es ein seltsames Gefühl. Eliza konnte doch nicht zu Rica gehen und sagen: »Hey, weißt du, du hast einen Bruder, von dem du bisher nichts geahnt hast. Im Übrigen hast du ihn auch schon mal geküsst, das finde ich ein bisschen panne, weil ich eigentlich mit ihm gehen will.« Nein, keine gute Idee.
Eliza warf einen letzten Blick auf den stummen Chatraum und schaltete dann ihren Rechner aus. Nathan würde heute Abend wohl nicht mehr auftauchen. Ganz kurz fragte Eliza sich, ob er kalte Füße bekommen hatte, aber dafür gab es eigentlich keinen Grund. Eliza hatte ihm so viel Raum gelassen, wie es nur irgend ging.
Sie gähnte, streckte sich und sah sich im Zimmer um. Ihre Zimmergenossin war noch nicht wieder da, aber Eliza hatte keine besondere Lust, noch länger aufzubleiben. Sie schlüpfte in ihren Pyjama, kroch unter ihre Bettdecke und schaltete das Licht aus. Allein in der Dunkelheit lag sie da und starrte die Decke an. Das war momentan ihre einzige Möglichkeit, ihre Gedanken zu ordnen. Und es gab so viel zu ordnen.
* * *
Rica
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