Optimum - Purpurnes Wasser (German Edition)
Lächeln, in der Hoffnung, dass ihre Mutter das Ganze als reinen Liebeswahn abtat.
Natürlich tat sie nichts Dergleichen. »Frau Jansen war vorhin hier«, meinte sie, immer noch mit dieser tonlosen Stimme. »Ich habe ihr den Schlüssel wiedergegeben.«
Rica zuckte mit den Schultern, bemüht, gleichgültig auszusehen. Als hätte sie gar kein Interesse mehr an den Untersuchungen. Sie wusste, das war das Einzige, was ihre Mutter beruhigen würde. Nur, dass die ihr natürlich kein Stück glaubte.
»Du musst aufhören, Rica. Das ist kein Spiel. Das ist nichts, was du mit deinem kleinen Detektivkoffer lösen kannst.«
Rica presste die Lippen aufeinander und versuchte, ihren Ärger nicht allzu sehr zu zeigen. Wie kam ihre Mutter auf die Idee, dass sie das Ganze für ein Spiel hielt? Sie hatte eine Freundin verloren, sie war verletzt worden, beinah sogar getötet. Sie wusste, dass es bitterer Ernst war, was sie tat, und dass ihre Mutter das mit ihrer Detektiv-Vorliebe aus der Grundschulzeit verglich, verletzte sie. Gleich darauf wurde Rica klar, dass sie in Gedanken genau das bestätigt hatte, was ihre Mutter wohl befürchtete: Sie begab sich in unnötige Gefahr. Die plötzliche Einsicht ließ sie schaudern. Vielleicht hast du dich wirklich übernommen, Rica.
Doch als ihre Mutter sie erwartungsvoll ansah, schüttelte Rica trotzdem den Kopf. »Ich kann nicht aufhören. Das ist zu wichtig«, sagte sie leise. Ihr Herz wurde schwer bei den Worten. Sie waren wahr, aber auf einmal schien das ganze Gewicht der Aktion auf ihren Schultern zu liegen, und Jos Gesicht trat ihr wieder vor Augen. Jos totes Gesicht, wie sie da in einem Meer von Rosenblüten lag.
In der Miene von Ricas Mutter spiegelten sich widerstreitende Emotionen wieder. Wut, Angst, Trauer, Resignation, und vielleicht sogar ein Anflug von Stolz. Sie schüttelte langsam den Kopf.
»Und du glaubst, dass du das lösen kannst?«, antwortete sie genauso leise wie Rica. »Du bist wahnsinnig, Rica.« Sie erhob sich vom Tisch und kam zu Rica hinüber. Mit einer Hand griff sie nach Ricas Rucksack und begann, die Taschen zu durchsuchen. Im nächsten Moment hielt sie ihr Handy in der Hand. »Das ist erst mal eingezogen«, meinte sie ruhig. »Und Internet gibt es auch nicht. Du kommst nach dem Unterricht sofort nach Hause, wenn nicht, lasse ich dich vom Sicherheitsdienst suchen. Und ich ziehe dir deren Einsatz vom Taschengeld ab.«
Rica starrte ihre Mutter mit weit aufgerissenen Augen an. »Das kann doch nicht dein Ernst sein.« Sie wollte nach ihrem Handy greifen, aber ihre Mutter zog die Hand weg, bevor sie ihre Finger darum schließen konnte. »Das brauche ich.«
»Um mit deinen Mitverschwörern zu telefonieren, keine Frage«, erwiderte ihre Mutter.
»Nein«, widersprach Rica, aber es hörte sich selbst in ihren Ohren nicht ehrlich an. »Im Ernst, Ma, du kannst doch nicht …« Doch sie kam nicht weiter. Ihre Mutter steckte das Handy in die Tasche.
»Ich kann wohl. Und ich werde. Wenn das die einzige Möglichkeit ist, dich daran zu hindern, blindlings in die Gefahr zu laufen, dann auf jeden Fall.«
Rica öffnete den Mund, um noch etwas zu erwidern, doch dann besann sie sich und schwieg lieber. Am liebsten hätte sie zwar laut geschrien oder gegen die Wand getreten, aber ihr war klar, dass sie damit rein gar nichts bewirken würde. Vielleicht hatte sie ja Glück, und wenn sie sich ruhig verhielt, besserte sich die Laune ihrer Mutter bis morgen wieder.
»Ich geh dann ins Bett«, murmelte sie. Sie wartete, ob sie eine Antwort bekam, doch ihre Mutter nickte nur. Als Rica sich endlich in Bewegung setzte, konnte sie die Blicke ihrer Mutter im Rücken spüren. Sie war froh, die Tür hinter sich in Schloss fallen lassen zu können. Sie knipste das Licht in ihrem Zimmer nicht an, sondern tastete sich durch die beinah vollkommene Dunkelheit zu ihrem Bett hinüber. Dort angekommen, streifte sie ihre Kleider ab, suchte im Dunkeln nach ihrem Pyjama und zog sich um. Rücklings ließ sie sich auf die Matratze fallen. Es war kühl im Zimmer, und sie fröstelte unangenehm, aber noch wollte sie nicht unter die Decke kriechen. Wenn sie das jetzt tat, schlief sie ein, und das wollte sie noch nicht. Sie musste nachdenken.
Ich sollte aufhören , dachte sie wieder. Was geht mich schließlich die ganze Sache an? Nichts. Ich bin da nur mehr oder weniger zufällig hineingeschlittert. Rica lächelte bitter. Ja, und jetzt musst du es auch durchstehen. Mitgefangen, mitgehangen, oder so.
Weitere Kostenlose Bücher