Optimum - Purpurnes Wasser (German Edition)
über den Rücken. Was, wenn sie Nathan tatsächlich etwas angetan hatten? Sie schüttelte sich, um den Gedanken loszuwerden, aber ganz gelang ihr das nicht. »Unsinn«, sagte sie laut, um ihre eigene Unsicherheit zu überspielen. »Wenn es das wäre, wären sie schon längst auch bei uns aufgetaucht, oder meinst du nicht?« Allerdings, wenn sie es recht überlegte, waren sie das ja auch. Frau Jansen zumindest.
Eliza hob die Schultern. Sie schien vor dem Rechner zu einer Steinstatue erstarrt zu sein. Immer noch starrte sie auf den Bildschirm, auch wenn sich dort im Moment nur das Hintergrundbild aus buntem Herbstlaub zeigte. »Was sollen wir nur machen?«, flüsterte sie schließlich. »Wir können ihn doch nicht im Stich lassen.«
Rica sah sich erneut im Raum um. Nach und nach trudelten weitere Schüler ein, setzten sich, plauderten, lachten, zeigten sich gegenseitig Fotos auf ihren Handys und schienen überhaupt keine Sorgen auf der Welt zu haben.
»Mir fällt schon was ein.« Rica erhob sich ruckartig und ging zu ihrem Tisch. Dort stopfte sie all ihr Schulmaterial zurück in ihren Rucksack und schwang ihn sich auf die Schulter. »Kümmere du dich um den Unterricht! Ich finde was heraus.«
»Und wie?« Langsam schien ein bisschen Leben in Elizas Züge zurückzukehren, und sie sah Rica mit einer Mischung aus Hoffnung und Zweifel in den Augen an.
»Ich vergrößere den Suchradius«, meinte Rica. »Kann ja nicht sein, dass in ganz Deutschland noch niemand was von diesem Institut gehört hat.« Mit großen Schritten ging sie in Richtung Tür.
»Wohin gehst du?« Jetzt war auch Eliza auf den Füßen und schon halb auf dem Weg zu Rica.
»In den Computerraum.«
»Du verpasst den Unterricht!«
Rica zuckte mit den Schultern. »Es gibt was Wichtigeres als Unterricht, und das sind Freunde. Außerdem: wie soll ich es denn sonst machen? Zu Hause komme ich ja nicht mehr ins Netz.«
Langsam ließ sich Eliza wieder auf ihren Stuhl zurücksinken. Sie sah Rica weiterhin mit dieser Mischung aus Hoffnung und Angst an, aber dann nickte sie schließlich. »Ich halte die Stellung«, flüsterte sie.
Rica reckte ihr Kinn, wandte sich ab und stiefelte mit hoch erhobenem Kopf aus dem Raum, ohne auf die verwunderten Blicke der anderen Schüler zu achten, die gerade ins Klassenzimmer kamen.
Dankenswerterweise war der Computerraum leer und still um diese Zeit. Rica verkroch sich in die hinterste Ecke und startete einen der Rechner. Mit einem leisen Surren erwachte er zum Leben. Rica hielt sich nicht lange auf, sie rief gmx auf und legte eine neue Mailadresse an. Mit dieser Adresse startete sie ein vollkommen neues Facebook-Profil und beeilte sich, sämtliche Leute, die sie irgendwo auftreiben konnte, Freundschaftsanfragen zu schicken. Als nächstes formulierte sie ihren Aufruf.
Hallo da draußen,
ich suche Informationen über das Daniel-Nathans-Institut. Ich weiß nur, dass sie etwas mit Genetik und Kinderwunschbehandlung zu tun haben, aber ich brauche die Informationen wirklich dringend.
Sie zögerte ein wenig, bevor sie die nächsten Worte schrieb. Unwillkürlich fragte sie sich, ob dieser Aufruf zu ihr zurückverfolgt werden konnte. Sie hatte eine vollkommen falsche Adresse angegeben, aber natürlich würde jemand, der auch nur ein bisschen Energie hineinsteckte, die IP-Adresse finden und zu dieser Schule zurückverfolgen. Sei’s drum. Sie konnten ihr ohne Weiteres nichts nachweisen. Rica tippte weiter.
Ich glaube, das Institut ist in düstere Machenschaften verwickelt. Letztes Jahr ist eine 18-jährige Schülerin gestorben, und das Institut hatte ziemlich sicher seine Hand im Spiel. Außerdem experimentieren sie mit Menschen – Schülern –, ohne dass diese ihre Einwilligung dazu gegeben haben. Jetzt habe ich sie im Verdacht, einen Freund entführt zu haben. Wenn ihr irgendetwas wissen solltet, dann schreibt mir bitte. Und kopiert diesen Aufruf in eure eigene Chronik. Verbreitet ihn weiter. Bitte! Ich habe wirklich Angst, dass ihm etwas zustoßen könnte.
Wieder hielt sie inne und las das Geschriebene durch. Ziemlich viel Pathos, das war ihr selbst klar, aber wahrscheinlich war es so schon gut. Je mehr Dramatik, desto schneller verbreitete sich ein Aufruf auf Facebook.
Sie klickte auf »Posten«, und verbrachte einige Zeit damit, in verschiedenen fremden Chroniken zu posten, um dort auf sich und ihren Aufruf aufmerksam zu machen. Nachdem sie eine halbe Stunde damit verbracht hatte und nach ihrer Rechnung die erste
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