Optimum - Purpurnes Wasser (German Edition)
den Hund umgebracht. Sie hat ihre Therapeutin verletzt. Rica schüttelte sich. Was geschah hier? Was passierte mit diesen superintelligenten Kindern, die doch so offensichtlich perfekt waren?
Und ganz nebenbei steckte sie ebenfalls in Schwierigkeiten. Was hatte Frau Jansen mit ihr vorgehabt, sie einsperren? Sie für verrückt erklären? Sie in diesem seltsamen Institut untersuchen lassen?
Rica schüttelte den Kopf, um ihn ein wenig klar zu bekommen, doch ihre Gedanken schwirrten immer noch durcheinander. Der eisige Wind drang langsam durch ihre Kleidung, und sie konnte spüren, wie ihre Finger langsam steif und gefühllos wurden.
»Hier bist du!«
Beim Klang der Stimme wirbelte Rica herum. Sie erwartete halb, den Mann vom Auto vor sich zu sehen, aber es war Robin, der den dämmrigen Weg hinauf kam. »Wo bleibst du denn? Wir waren doch verabredet.« Er klang verärgert, aber sein Gesichtsausdruck änderte sich sofort, als er sich Rica näherte. Seine Augen weiteten sich, und er beschleunigte seine Schritte, bis er bei ihr stand. »Was ist passiert?«
Rica konnte nur den Kopf schütteln. Sie brachte kein Wort heraus. Verzweifelt suchte sie nach irgendwas, was sie ihm sagen konnte, aber da war nichts. Nathans seltsame Mail, ihre Mutter und deren Geheimnisse, der verlorene Schlüssel, Frau Jansen, Michelle … Das alles war irgendwie viel zu viel. Sie wusste nicht, wo sie beginnen sollte.
»Ich glaube nicht, dass es heute ein guter Tag für Kino ist«, brachte sie schließlich heraus.
Robin musterte sie besorgt und nickte. »Nein, ich glaube auch nicht.« Er schlang einen Arm um ihre Schulter. »Komm, wir gehen in mein Zimmer. Torben ist heute Abend nicht da. Wir reden, ja?«
Rica zögerte. Etwas in ihr sträubte sich dagegen, in die Schülerunterkunft zu gehen, wo jedes Zimmer überwacht sein konnte.
»Lass uns ins Café gehen. Irgendwohin. Nur nicht hierbleiben«, flüsterte sie dann.
Wieder schenkte Robin ihr einen langen Blick. »Okay«, gab er schließlich nach. »Aber irgendwann müssen wir auch mal ein richtiges Date haben. Ich komme mir schon vor wie ein Mitglied einer Geheimgesellschaft.«
Rica brachte ein schwaches Grinsen zustande. »Irgendwie bist du das wohl auch.« Sie war froh, seine Hand halten zu können, als sie gemeinsam ins Dorf hinuntergingen.
Kapitel sechs
Antworten
Zum gefühlt hundertsten Mal sah Eliza auf ihr Chatfenster. Noch immer blieb Nathans Account grau unterlegt. Er war nicht online. Und das, obwohl sie jeden Tag um ungefähr die gleiche Uhrzeit chatteten, und das letzte Mal hatte er »bis morgen« geschrieben.
Eliza rief wieder ihr Schreibprogramm auf und tippte lustlos ein paar Zeilen an einer Hausarbeit, die sie für Englisch erledigen musste. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals so wenig Spaß an Schularbeiten gehabt zu haben. Bisher hatte sie immer gerne gelernt.
Wieder ein Blick zum Chatfenster. Immer noch nichts. Nathan war nun schon fast seit einer Stunde überfällig, und Eliza hatte in dieser Zeit kaum eine Seite geschrieben. So ging das nicht weiter. Vielleicht war ja doch eine Mail gekommen. Sie hatte zwar schon mehrfach nachgesehen, aber man konnte ja nie wissen, ob er nicht vielleicht eine andere Mailadresse verwendet hatte. Dann wäre die Mail in ihrem Spamfilter hängengeblieben.
Eliza rief ihren Browser auf und öffnete ihr Postfach. Keine neuen Mails. Rasch klickte sie sich bis zu ihrem Ordner mit den unbekannten Mails durch. Ihr Herz schlug höher, als sie dort zwei neue Mails entdeckte. Doch gleich darauf setzte die Enttäuschung wieder ein. Keine der beiden Mails war von Nathan. Die eine war irgendwelche Werbung, und die andere war eine Kopie von …
Eliza schnappte nach Luft. Die Betreffzeile der Mail lautete: »Re: Informationen über das Nathans-Institut«. So hatten Eliza und Nathan ihre Mail an Andrea benannt. Eliza hatte überhaupt nicht gewusst, dass Nathan sie in den Mailverteiler mit aufgenommen hatte. Mit zitternden Fingern rief sie die Mail auf.
Sehr geehrter Herr Jonah,
oder soll ich lieber »du« sagen. Es ist mir klar geworden, dass du ein Schüler bist, wahrscheinlich sogar einer der Daniel-Nathans-Akademie. Doch das ist mir gleich. Ich habe die Informationen, die du haben willst, aber dafür brauche ich auch etwas zurück. Eine kleine Versicherung, wenn du so willst. Wenn du wirklich bist, was ich vermute, dann solltest du genügend Mittel zur Verfügung haben, um mir all meine Wünsche zu erfüllen. Schließlich bekommt ihr das
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