Optimum - Purpurnes Wasser (German Edition)
Außerdem … Es geht ja auch um Eliza. Sie hat sich das nicht ausgesucht, und sie kann nicht einfach aussteigen.
Rica lag ganz still, spürte wie sich die Gänsehaut auf ihren Schienbeinen auszubreiten begann, und horchte darauf, wie ihre Mutter im Nebenzimmer mit dem Geschirr klapperte. Es war ein seltsam beruhigendes Geräusch, alltäglich und beinah friedlich. Als hätten sie nie einen Streit gehabt.
Ich kann nicht aufhören. Wenn ich das jetzt tue, werde ich es mir nie verzeihen.
Rica atmete tief durch, schlüpfte unter ihre Bettdecke und drehte sich auf die Seite. Sie schloss die Augen, und versuchte, warm zu werden und alles zu vergessen. Doch die Müdigkeit wollte noch lange nicht kommen.
»Wir müssen Nathan erreichen.« Rica wartete gar nicht erst darauf, dass Eliza das Gespräch eröffnete, als sie am nächsten Morgen ins Klassenzimmer kam. »Hast du ihn angerufen?«
»Warum tust du es nicht selbst?« Eliza wirkte seltsam abwesend und wieder ein wenig verängstigt. Sie wagte es nicht einmal, Rica in die Augen zu sehen, stattdessen starrte sie aus dem Fenster auf den verlassenen Vorplatz. Es regnete in Strömen, und zwischen den Pflastersteinen sammelten sich Pfützen aus eisigem Wasser.
Rica seufzte und erklärte Eliza die ganze Misere.
»Hausarrest?«, fragte diese zurück. »Das ist krass. Ich hätte nicht gedacht, dass deine Mutter zu solchen Mitteln greift.«
Rica zuckte mit den Schultern. Sie hatte insgeheim gehofft, dass ihre Mutter bis heute Morgen ihre Meinung geändert haben würde, aber daraus war nichts geworden. Allein ein Blick in ihr Gesicht hatte Rica davon abgehalten, nach ihrem Handy zu fragen. Oder nach Internetzugang. »Kannst du ihn nun anrufen?«, wollte sie stattdessen wissen.
Eliza hob zum ersten Mal den Blick vom Fenster und sah Rica an. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen, und ganz offensichtlich schlecht geschlafen. »Hast du die Mail noch da?«, wollte sie wissen. »Die er dir geschrieben hat, meine ich?«
Rica sah sich rasch im Klassenraum um. Sie war ausnahmsweise mal früh dran, weil ihre Mutter sie unbarmherzig geweckt hatte, aber auch, weil sie wusste, dass sie so Zeit hatte, mit Eliza zu sprechen. Außer ihnen beiden waren nur Lisa und Tom im Klassenzimmer, und die beiden waren dermaßen mit sich selbst beschäftigt, dass sie nichts um sich herum zu bemerken schienen. Jedenfalls standen die beiden Schüler-PCs verlassen da. Rica steuerte darauf zu. »Komm, ich zeig sie dir.«
Eliza nickte, erhob sich und trat an einen der Rechner. Mit flinken Fingern tippte sie etwas auf der Tastatur, öffnete ein paar Fenster und veränderte hier und dort einen Parameter. »Jetzt kannst du ins Netz«, meinte sie und trat zurück. Rica hob anerkennend eine Augenbraue, aber sie sagte nichts dazu.
Sie rief ihren Server auf und öffnete Nathans Mail. Dann rutschte sie zur Seite und ließ Eliza lesen. Für einige Momente studierte Eliza mit gerunzelter Stirn den Text. Rica konnte sehen, wie sich ihre Lippen leicht bewegten, während sie den Text mitlas. Dann ließ sie sich nach hinten sinken. Ihr Blick wich nicht vom Bildschirm, aber ihr Gesicht war unnatürlich blass geworden.
»Sie haben ihn mitgenommen«, flüsterte sie. »Das Institut.«
»Was?« Rica schob sich an ihre Seite und starrte ebenfalls auf den Mailtext. Er ergab in ihren Augen immer noch keinen Sinn. »Wie kommst du darauf?«
Eliza zuckte mit den Schultern. »Dieser unerwartete Besuch und diese seltsame Ausdrucksweise … Es ist klar, dass er glaubt, jemand wird die Mail lesen. Und außerdem hast du ja schon gesagt, dass er seitdem auf nichts mehr reagiert. Ich habe auch nichts von ihm gehört. Also …« Sie ließ das Ende des Satzes in der Luft schweben.
Ricas Herz begann, schneller zu schlagen, und ihre Finger kribbelten unangenehm. Nathan mitgenommen . Sie konnte es kaum glauben, sie wollte es nicht glauben, aber natürlich ergab das, was Eliza da sagte, auf gruselige Weise Sinn. Und wenn Rica nicht so viel Angst davor gehabt hätte, die Wahrheit zu sehen, wäre ihr das auch schon vorher aufgefallen. »Was wollen sie nur von ihm?«, flüsterte sie. Ihre Hände zitterten, während sie zur Maus griff und die Mail wieder schloss.
»Keine Ahnung«, flüsterte Eliza zurück. Sie sah so schockiert aus, wie Rica es nur selten bei ihr gesehen hatte. »Vielleicht haben sie herausgefunden, dass wir hinter ihnen her schnüffeln. Und sie wollten ihn daran hindern.«
Bei diesen Worten lief Rica ein eisiger Schauer
Weitere Kostenlose Bücher