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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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denn da?« Er fühlte sich zu schwach und zerschlagen, um auch nur seine Stimme zu erheben, geschweige denn sich selbst oder wenigstens einen Arm.
    Diesmal bekam er zumindest eine Antwort, aber es war nur ein dumpfes Stöhnen. Es klang überhaupt nicht nach einem zierlichenMädchen wie Klara, eigentlich klang es nicht einmal nach Mensch.
    Der Schreck fuhr Amos in die Glieder. Er vergaß alles andere – seine Müdigkeit, seine Schmerzen – und sprang auf.
    Die Hand, falls es eine war, tastete weiter dort herum, wo eben noch sein Arm gewesen war. Sie gehörte zu einer grauen, unförmigen Masse, die nun abermals ein Stöhnen von sich gab.
    Der Mond sichelte sich zwischen den Wolken hervor und warf sein fahles Licht auf einen Mann im ledernen Flickenpanzer. Es war der Bücherjäger, der in die Schlucht gefallen und genauso wie er selbst talwärts gerissen worden war. Doch anders als Amos schien der Gepanzerte kaum mehr am Leben zu sein.
    Amos kauerte sich neben ihn. »Ich wollte nicht auf dich schießen.« In seiner Kehle begann es zu brennen. »Bitte verzeih mir«, flüsterte er und da schnellte die Hand des Gepanzerten vor und packte ihn beim Fußknöchel und riss ihn um. Amos schrie auf und strampelte mit seinem gefangenen Fuß, aber der Gepanzerte hielt ihn eisern fest. »Verdammter Kerl«, schrie Amos, »lass mich los!«
    Er lag auf dem Rücken und kam nicht wieder hoch, im Gegenteil – der Gepanzerte bekam ihn mit seiner zweiten Hand auch noch hinten am Gürtel zu packen und zog und bog, bis Amos zuckend und zappelnd über ihm lag. Der Bücherjäger stöhnte und knurrte und die Hand kroch von Amos’ Gürtel aufwärts und krallte sich in sein Bündel. Sie zerrte daran herum, und voller Entsetzen hörte Amos, wie das grobe Leintuch mit einem Ratsch entzweiriss. Die Hand kroch in sein Bündel, wühlte in seinen Sachen, bekam etwas zu fassen und zog es mit einem Ruck hervor. Im nächsten Moment stieß der Gepanzerte ihn von sich.
    Amos flog ein Stück durch die Luft und sah im Niederstürzen, wie sich der Bücherjäger schwerfällig aufrappelte. Er hielt das Buch in seiner rechten Hand, glücklicherweise noch mit dicken Schichten von Schilf und Farn umwickelt, aus denen die Tropfen sprühten. Erst als er humpelnd davonlief, auf den bewaldetenHang zur Rechten des Felslabyrinths zu, wurde Amos klar, wie schwer sich der Mann bei der Höllenfahrt ins Tal hinab verletzt haben musste. Sein rechtes Bein schleppte er mit sich wie ein totes Stück Holz. Er humpelte weit vorgebeugt, stützte sich mit der linken Hand am Boden ab und schrie bei jedem mühevollen Schritt vor Schmerzen auf.
    Amos sprang auf und rannte hinter ihm her. Er war außer sich vor Zorn und Angst. Er wollte diesen verfluchten Kerl zur Strecke bringen, ihm das Buch entreißen, an nichts anderes konnte er in diesem Augenblick denken. Er warf sich von hinten auf ihn, drückte den Stolpernden vollends zu Boden und begrub unter dessen gepanzertem Leib das Buch. Reglos lag der massige Körper vor ihm, und Amos versuchte verzweifelt, den Mann auf den Rücken zu wälzen, damit er an das Buch herankam. Und so nahm er den Schatten mit den Umrissen einer riesenhaften Spinne, der von der Felswand neben dem Wasserfall herabflog, viel zu spät wahr.
    Johannes ließ sich einfach auf Amos und den Gepanzerten herunterfallen, mit den Füßen voran, die Arme ausgebreitet, und der um seinen Rumpf gebundene Strick wehte im Mondlicht hinter ihm her. Seine Kleidung war tropfnass und gänzlich zerfetzt, aber anders als der Gepanzerte schien er den Höllenritt durch die Schlucht heil überstanden zu haben. Gurgelnd stürzte er sich auf Amos, der herumgefahren war, von diesem weiteren Angreifer vollkommen überrumpelt. Johannes’ knochenspitze Knie bohrten sich in seine Rippen, Amos japste und versuchte vergeblich, Luft zu holen.
    »Idiot!«, gelang es ihm endlich hervorzukeuchen, »er hat das Buch!«
    Augenblicklich ließ Johannes von ihm ab. Amos tastete sich über die Rippen. Seine Lunge brannte, das Herz hämmerte ihm in der Brust. Aber wie durch ein Wunder schien er sich nichts gebrochen zu haben.
    Mühsam rappelte er sich wieder auf. Der Gepanzerte lag noch auf dem Bauch, aber er hatte sich wieder in Bewegung gesetzt.Stöhnend kroch er den Waldhang hoch, das Buch anscheinend unter sein Flickengewand geschoben, und Johannes sprang und trampelte auf seinem Rücken herum wie ein tollwütiger Hund. Eben hatte Amos die beiden erreicht, als der Gepanzerte sich mit einem

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