Opus 01 - Das verbotene Buch
haben, nennt sie Gott oder wie ihr wollt«, sagte sie beispielsweise,»wenn diese mächtigen Geister nicht gewollt hätten, dass Männer und Frauen leibliches Gefallen aneinander finden, dann hätten sie uns anders erschaffen. Und wenn sie überdies gewollt hätten, dass aus jeder Liebesnacht eine Leibesfrucht hervorgeht, dann hätten sie mir nicht verraten, wie man diese Salbe zubereitet.«
Von halb verlegenem, halb erleichtertem Lächeln der Frauen begleitet, holte sie Tiegel und Krüge mit der »Liebessalbe« hervor, für die sie weithin berühmt war. Sie erklärte ihnen, wie sie sich damit bestreichen sollten, ehe sie ihre Liebsten zu sich auf ihr Lager ließen. »Wenn es dein angetrauter Mann ist und er sich von den Pfaffen hat einschwätzen lassen, dass sein Weib möglichst unaufhörlich in gesegneten Umständen sein soll – dann bestreiche dich eben heimlich mit der Salbe und zeige dich gebührend erstaunt, wenn die Empfängnis wieder und wieder nicht gelingt.«
Ihre Eltern selbst waren das glücklichste Liebespaar gewesen, dem Klara je begegnet war. »Wen wundert’s«, pflegte ihr Vater mit vieldeutigem Grinsen zu kommentieren, »ich wirke allwöchentlich ein wenig Liebeszauber und Vera rührt derweil ihre Salbe an.« Ihre »Liebessalbe« ebenso wie jenen sämigen »Drachenschleim«, den ihr Vater sich einverleibte, ehe er sein verblüffendstes Kunststück zum Besten gab: Er konnte Feuer schlucken und helle Flammengarben spucken wie ein Drache aus den alten Heldensagen.
Mit Mutter und Vater durch die Lande zu reisen, war für Klara als kleines Mädchen ein wundervolles Abenteuer, das scheinbar niemals enden würde. Manchmal fühlte sie sich ein wenig einsam, denn wie gut Vera Thalgrubers Liebessalbe wirkte, zeigte sich auch daran, dass Klara ihr einziges Kind geblieben war. Aber jener Puppenspieler, der oftmals mit ihnen zusammen durch die Lande reiste, hatte einen kleinen Sohn namens Adrian, der war gerade ein Jahr älter als sie und wurde bald ihr bester Freund in jenen Kinderjahren. Wäre es nach ihr gegangen, so hätten sie für alle Zeiten weiter so durch die Welt fahren können – in einem Wagen ganz ähnlich dem von Karol, nur geräumiger und mit bequemenStrohmatratzen ausgestattet, auf denen man sich ganze Tage umherschaukeln lassen und zu den Wolken emporschauen konnte. Bei schönem Wetter hatte ihr Vater die Plane meist vom Sparrwerk des Wagens heruntergezogen – dann saßen und lagen sie in ihrer rollenden Wohnstube und schauten mitleidig zu den sesshaften Leuten hinaus, die ihr Leben lang an einer Stelle festgemauert blieben.
Sie schob sich im Liegen näher zu Amos. Jetzt weißt du auch ein wenig von mir .
Und diese Salbe … Der helle Unterton in seiner Gedankenstimme wurde vor Verlegenheit noch spröder. Wirkt sie tatsächlich so, wie deine Mutter es den Frauen versprochen hat?
Ich glaube schon. Jedenfalls habe ich oft gehört, wie Frauen und Mädchen ihr von Herzen dankten .
Ihnen beiden wurde bei diesem Thema mit einem Mal heiß. Klara spürte, dass es nicht nur ihr so erging, denn sie lagen nun so nah beieinander, dass ihre Atemströme sich miteinander vermischten.
Auch Karols Frau Mona , fügte sie hinzu und ihr Herz klopfte noch etwas schneller, hat sich auf die Herstellung so mancher Salbe verstanden. Es sind auch noch ein paar Tiegel davon übrig, wie er mir erzählt hat .
Sein Gesicht verzog sich für einen Moment vor Bedauern. Dann grinste er Klara an. Vielleicht gibt uns Karol ein wenig davon ab – für den Tag, an dem wir bereit sein werden, die dritte Stufe zu meistern.
Sie grinste mindestens genauso frech zurück. Und für den Fall, dass Kronus mit seiner romantischen Prophezeiung wirklich uns beide gemeint hat.
Schlagartig wurde Amos wieder ernst. Seine Linke suchte Klaras Hand und verflocht sich mit ihren Fingern. Tief sah er ihr in die Augen. Oh ja, das hat er, liebste Klara. Und glaub mir, Kronus ist ein wahrhaft weiser Mann und irrt sich nie .
4
U
m die Mittagsstunde
legten sie eine kurze Rast ein. Karol schien unterdessen mit sich selbst ins Reine gekommen zu sein. Freundlich schaute er Amos und Klara an, verteilte freigiebig Brot und Käse aus den Vorräten in seinem Wagen und erklärte schließlich, wie er sich den weiteren Verlauf ihrer Reise vorstellte.
»Am Spätnachmittag werden wir die Heidenkuppe erreichen – in früherer Zeit hieß der Berg übrigens einfach Seehügel. Ich kenne dort einen Platz, wo wir den Wagen unbesorgt abstellen können. Vom Weg
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