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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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aus ist die kleine Lichtung nicht einzusehen – und vom Himmel aus auch nicht«, fügte er mit einem kaum merklichen Lächeln in Amos’ Richtung hinzu.
    Woher weiß er von den Falken?, durchfuhr es Amos.
    Karol schloss kurz die Augen und schaute ihn dann offen an. »Keine Sorge, ich weiß nichts und will nichts wissen«, sagte er. »Mir ist nur aufgefallen, dass du immer wieder zum Himmel emporgesehen hast – aber vielleicht erwartest du ja eine Brieftaube?« Er schüttelte leicht den Kopf, als wäre er über seinen eigenen sonderbaren Einfall erstaunt. »Wie auch immer«, fuhr er fort, »dort oben auf dem Seehügel möchte ich euch beiden sehr gerne den Hain zeigen, in dem ich die Nacht verbringen werde. Dort will ich den Beistand der Geister erbitten, und ich wäre euch dankbar, wenn ihr morgen früh nachsehen kämt, wie meine Unterredung mit den höheren Mächten ausgegangen ist.«
    Amos und Klara wechselten besorgte Blicke. Aber Karol hob eine Hand und schüttelte energisch den Kopf. »Zur Sorge besteht kein Anlass und umstimmen könnt ihr mich ohnehin nicht. Also seid so freundlich und gelobt, dass ihr meine Wünsche erfüllen werdet.«
    Klara schaute zu Amos und der nickte ihr nach kurzem Zögern zu. »Wir werden alles machen, wie du es dir wünschst«, sagte sie zu Karol.
    Der Puppenspieler nickte, offensichtlich erleichtert, und rieb sich sogar die Hände. »Das ist sehr gut, meine Kinder. Ich darf euch doch so nennen? Dem Alter nach könnte ich immerhin euer Vater sein.«
    Aber ein guter Vater würde so doch niemals handeln, dachte Amos – in die Berge hinauffahren, um dort zu sterben und seine Kinder allein zurückzulassen.
    Ernst und traurig sah Karol ihn an. Und abermals hatte Amos das Gefühl, dass der Puppenspieler sehr viel mehr wusste, als er vor ihnen zugeben wollte. Seit sie heute früh auf ihn getroffen waren, hatte er immer wieder darüber nachgedacht: War es wirklich bloßer Zufall, der sie zusammengeführt hatte?
    »Dass ihr beiden auf der Flucht seid oder jedenfalls für eine Weile lieber unsichtbar bleiben wollt«, sagte Karol in beiläufigem Tonfall, »hätte euch heute früh ein Blinder an der Nasenspitze angesehen. Mit diesem Wagen hier müsstet ihr aber unbemerkt bis an euer Ziel gelangen – wo immer dieses Ziel liegen mag. Vielleicht verkleidet ihr euch noch ein wenig mit Monas und meinen Sachen, dann wird euch bestimmt niemand mehr wiedererkennen. Und wer weiß, vielleicht findet ihr ja Gefallen am Leben der fahrenden Leute und schlagt euch fortan mit Puppenspiel und Heiltinkturen durch?«
    »Wenn es nach mir ginge, nur allzu gerne.« Klara lächelte ihn an. »Aber wir müssen …«
    Abwehrend hob Karol diesmal beide Hände. »Was ihr tun oder lassen müsst, geht mich nichts an. In diesen Zeiten solltet ihr besser keinem Fremden eure Geheimnisse anvertrauen.« Er erhob sich von dem bemoosten Baumstamm, auf dem er während der Rast gesessen hatte. »Fahren wir weiter, damit wir rechtzeitig jene Lichtung erreichen. Dort könnt ihr beiden im Wagen die Nacht verbringen, während ich im Hain bei den Geistern bleibe.«
    Klara und Amos schauten einander an und dann rasch wieder weg. Beiden war die Hitze in die Wangen gestiegen. War er nichtvielleicht doch schon bereit, fragte sich Amos, die dritte Stufe zu meistern? Die beiden ersten Gaben, die Gefühls- und Gedankenmagie, hatte
Das Buch der Geister
ja schließlich schon in ihm erweckt – da war er also vielleicht gar kein Novize mehr und das Gebot, das Kronus ihm auferlegt hatte, folglich für ihn nicht mehr gültig? Aber sosehr Amos es sich wünschte – er spürte selbst, dass er noch nicht so weit war. Er hatte gerade erst gelernt, die Gedankensprache zu gebrauchen. Und für Klara galt ja im Grunde genau das Gleiche.
    »Wenn du mir auf dem Kutschbock bis dahin noch Gesellschaft leisten könntest?«, sagte Karol zu Klara. »Falls mir die Augen zufallen, nimm mir lieber die Zügel aus der Hand. Die Pferde können ja eigentlich kaum in die Irre gehen, weil es von hier aus keinen anderen Weg mehr gibt. Aber meine Schecke neigt dazu, immer langsamer zu werden, wenn sie merkt, dass mich die Müdigkeit überwältigt.«
    Nach einem weiteren raschen Blick zu Amos stimmte Klara zu. Und abermals fragte er sich, wer Karol wirklich war und wie viel er von ihren Plänen wusste. Tatsächlich kam es ihm sehr gelegen, dass er den restlichen Tag hinten im Wagen für sich sein würde. Er musste unbedingt die Geschichte
Von der Frau, die im Brunnen

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