Opus 01 - Das verbotene Buch
könntest .
Während sie sich in Gedankensprache unterhielten, sah Hans Wolf mit ehrfürchtigem Lächeln von Amos zu Klara und wieder zurück. »Ihr könnt es wirklich, habe ich recht?«
»Wenn du meinst, ob wir gegenseitig unsere Gedanken lesen können – das schon.« Amos verlor allmählich die Geduld mit dem jungen Maler, der ihn mit seinen verehrungsvollen Blicken beinahe verschlang. »Aber wir sind keine Zauberer, wie du anzunehmen scheinst. Und nun sage uns bitte, was du überhaupt von uns willst. Lass uns übrigens beim Du bleiben, wenn du einverstanden bist.«
Hans Wolf nickte eifrig. »Ich fühle mich überaus geehrt. Immerhin bin ich nur ein Bürgersohn, und Ihr seid – du bist …« Erräusperte sich. »Nun also, zur Sache – ich wurde ausgesandt, um euch zu einer Herberge zu bringen, wo ihr die Nacht über bleiben könnt. Morgen früh hole ich euch ab und geleite euch zur Burg hinauf.«
Klara sah ihn argwöhnisch an. »Warum bringst du uns nicht sofort zur Burg? Woher wusstest du überhaupt, dass du uns gerade zu dieser Stunde hier bei der Fähre finden würdest?«
»Seit gestern früh habe ich nach euch Ausschau gehalten. Von dort drüben aus.« Hans deutete zum Steg auf der anderen Uferseite. »Und an weiteren Stegen und Brücken über die Regnitz sitzen andere wie ich und verrenken sich die Hälse nach euch.« Wieder rieb er sich den Nacken, mit einem scheuen Blick zu Amos. »Wir haben Wetten abgeschlossen, wer euch als Erster ausfindig machen würde und wo ihr auftauchen würdet.«
»Wie viele seid ihr?«, fragte Amos. Fast gegen seinen Willen musste auch er schon wieder grinsen, so treuherzig klang das alles aus dem Mund des jungen Malers.
»Die nach euch Ausschau halten? Ein halbes Dutzend.« Er schien sie einen nach dem anderen im Kopf durchzugehen. »Nun, sieben sogar. Zwei Schüler von Meister Wolgemut – Albrecht Dürer und ich. Außerdem zwei Druckerlehrlinge und drei junge Priesternovizen, die das besondere Vertrauen unseres Allergnädigsten Bischofs höchstselbst genießen.«
Klara beugte sich noch weiter zu ihm herüber. »Der Fürstbischof ist also auch eingeweiht?«
Wieder sah sich der Maler zuerst nach allen Seiten furchtsam um. »Er hält sich für … wie soll ich Euch – dir – das erklären … Er hält seine Hand über die Bruderschaft.« Er sann der Formel hinterher und nickte dann zufrieden. »So kann man es wohl wirklich sagen. Auch wenn ich selbst dem Bund nicht angehöre – zu jung, zu unbedeutend, du verstehst.« Wieder lupfte er die Braue. »Aber jedenfalls hat Fürstbischof Georg befohlen, dass ihr jenes Schriftwerk nur in seiner Gegenwart überbringen dürft. Deshalb müsst ihr die Nacht in der Herberge verbringen, denn der HerrGeorg befindet sich noch auf der Rückreise aus dem Rheinland. Er hat dort an einem Konzil teilgenommen und wird erst am späten Abend zurückerwartet.«
Amos und Klara wechselten einen Blick.
So richtig verstehe ich das alles nicht , überlegte er. Sie scheinen dem Bischof nicht die volle Wahrheit gesagt zu haben, aber vielleicht macht sich Hans auch übertriebene Vorstellungen von der ganzen Sache. So wie er mich für einen großen Zauberer hält – dabei kann jeder die gleichen magischen Gaben in sich erwecken, wenn er nur
Das Buch der Geister
richtig liest.
Du bist ein großer Zauberer, Amos, du hast es nur noch nicht bemerkt . Sie lächelte ihn auf sinnverwirrende Weise an. Ihre Augen leuchteten so strahlend grün wie der sehende See von Rogár. Aber eine Wahl haben wir offenbar so oder so nicht, und der wackere Hans wird uns bestimmt in eine Herberge führen, wo wir während der Nacht nichts zu fürchten haben .
Nur seine wortreiche Anhänglichkeit .
Sie mussten beide lachen. Aber als Hans Wolf wissen wollte, was sie so sehr erheitert habe, schüttelten Amos und Klara bloß den Kopf und baten ihn, sie nun rasch zu ihrem Quartier zu bringen. »Wir sind müde«, sagte Klara in entschuldigendem Tonfall, »und wenn der Herr Bischof höchstpersönlich uns morgen empfängt, müssen wir uns vorher zumindest den gröbsten Schmutz unter den Nägeln wegkratzen.« Sie zeigte ihm ihre Hände, die mit Ruß und Schmutz in allerlei Farben verkrustet waren, darunter auch der rote Schlamm, mit dem sie in Rogár die Tücher für Karol getränkt hatten.
Hans Wolf lächelte erfreut. »In der Herberge ist schon alles vorbereitet – Abendessen, Badezuber, neue Gewänder. Sie liegt direkt am Fuß des Burghügels – wir können außen um die
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