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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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anwesend sein, wenn wir das Buch überbringen?«
    Klara erhob sich. »Besprecht euch ruhig noch eine Weile, ich werde mich währenddessen baden.« Sie lächelte Amos zu und verschwand hinter der Gelasstür.
    Fürstbischof Georg, so begann der junge Maler seine umfangreichen Auskünfte, entstammte dem ehrwürdigen Adelsgeschlecht der Schenken zu Limpurg und war einer der mächtigsten Herrscher Frankens. Umfassend gebildet, von großer Tatkraft und mit kaum dreißig Jahren fast noch ein junger Mann. Er war nicht nur der Oberste seines Bistums, das sich von Bayreuth bis Bamberg und von Hof bis Erlangen erstreckte, sondern zugleich der weltliche Herrscher über das kaiserliche Lehen – mit eigenen Soldaten und eigener Halsgerichtsbarkeit. An Größe und Glanz konnte es sein Bistum mit Mainz oder Köln zwar bei Weitem nicht aufnehmen, aber dafür lag in seinem Fürstentum die bedeutendste aller deutschen Städte – das stolze und reiche Nürnberg.
    Hans Wolf schenkte sich Wein nach, trank beherzt und wischte sich mit bunt betupfter Hand den Mund ab. Hinter der Tür zum Badegelass hörten sie Klara plätschern und leise singen. Amos wünschte sich, dass der junge Maler bald den Weg nach draußen finden würde. Aber zugleich war er begierig, mehr über die Verhältnisse in der Bischofsburg und das Wirken der geheimnisvollen Bruderschaft zu erfahren.
    Glücklicherweise, so fuhr Hans fort, war Georg ein Bewunderer der Künste, ein Freund der Gelehrsamkeit und in Maßen sogar ein Freigeist. Vom Ablasshandel hielt er so wenig wie von übertriebener Hexenjagd und er scheute sich auch nicht, seine Überzeugungen vor dem Heiligen Vater oder im Kreis der Bischöfe zu vertreten. Dabei war Georg ein Katholik von untadeliger Kirchentreue. Er achtete streng darauf, dass sich die Priester in seinem Bistum keine Verfehlungen zuschulden kommen ließen. Wer von ihnen seine Privilegien missbrauchte, sich auf Kosten seiner Gemeinde mästete und Reichtümer aufhäufte, wurde unnachsichtig bestraft. Selbst für die Anhänger der Geistkirche hegte der Bischof ein gewisses Verständnis, wenn nicht sogar Sympathien, auch wenn er die nach außen hin verheimlichen musste. Denn der Heilige Vater hatte die Geistkirchler erst unlängst wieder als Sektierer verdammt, und die Inquisitoren mühten sich bereits emsig, ihnen direkte Verbindungen zu Hexen und Satansanbetern nachzuweisen.
    Bei dem Wort Geistkirche hatte Amos aufgehorcht. Laut Hubertus, ihrem alten Gutsvogt, hieß das Opus Spiritus mit deutschem Namen auch Geistwerk . Was das denn für eine Sekte sei, wollte er von Hans wissen – diese Geistkirche?
    Wieder sah der junge Maler verstohlen um sich. Die Geistkirchler, raunte er dann, glaubten, dass Jesus Christus überhaupt keine Kirche stiften wollte. Der Heiland war nach ihrer Ansicht nur deshalb in diese Welt gekommen, um den Glauben an seinen gütigen Gottvater zu verbreiten, an den jeder Christenmensch sich vertrauensvoll wenden durfte – im direkten Gebet und ohne dass er dafür irgendeine Kirche bräuchte. Im Gegenteil, die katholische Kirche mit ihren Mauern und Priestern, Regeln und Ritualen hatte sich nach Ansicht der Geistkirchler erst nachträglich zwischen Gott und die Menschen geschoben, und für die meisten von ihnen war sie eine Erfindung des Satans.
    Hier dämpfte Hans Wolf seine Stimme zu einem fast unhörbaren Wispern. Selbst Klaras Summen im Zuber kam Amos lauter vor als das furchtsame Flüstern des jungen Malers.
    »Diese Irrlehre«, raunte er weiter, »riecht schon deutlich genug nach Scheiterhaufen, aber jetzt wird es erst richtig brenzlig, wenn du mir das Wortspiel nachsiehst: Die Geistkirche nämlich zieht auch solche Seelen an, die eigentlich mehr heidnischen als christlichen Glaubens sind. Denn von der Vorstellung, dass das Mauerwerk der Kirche ein Satanswerk wäre, ist es nicht weit zu der heidnischen Lehre, dass der wilde Wald unsere wahre Kirche sein soll. Und von der Ansicht, dass jeder Mensch sich nach Gutdünken an höhere Mächte wenden darf, ist es nur ein kleiner Schritt zu dem alten Glauben der Heiden, dass es nicht einen einzigen Gott im Himmel gibt, sondern vielerlei Geister, deren Kräfte und Absichten sich in der Welt und in jedem einzelnen Menschen ineinander verweben.«
    Hans unterbrach sich, um sich mit einem weiteren Schluck aus dem Weinbecher zu stärken. »Für nicht wenige ihrer Anhänger«, fuhr er so gedämpft fort, dass Amos ihm die Worte fast von den Lippen ablesen musste, »ist die

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