Opus 01 - Das verbotene Buch
Stadtmauer herumreiten, sodass ihr kein unnötiges Aufsehen erregt.«
Das klang allerdings nicht besonders beruhigend, fand Amos. Wessen Argwohn sie denn hervorrufen könnten, wollte er von ihremFührer wissen, während sie den Hügel hinabritten und ihre Pferde behutsam auf die schwankende Fähre lenkten.
Doch diesmal war es der junge Maler, der keine rechte Antwort geben mochte. Nun, das habe er nur so dahergesagt, tatsächlich hätten sie nicht das Geringste zu befürchten, in der Stadt so wenig wie in der Burg. »Über wen der Bischof höchstselbst seine Hand hält, der ist so sicher wie in Abrahams Schoß.«
Mit immer gleichen Stößen stakte der Fährmann sie über die Regnitz. Drüben wandten sie sich nach links und ritten geraume Zeit unter der Stadtmauer dahin, auf einem schmalen Weg, neben dem sich goldene Ähren im Abendwind wiegten.
»Wie heißt die Herberge?«, fragte Amos.
»›Zum wilden Jäger‹«, gab Hans mit unbekümmertem Lächeln zurück. »Seid unbesorgt, wir sind gleich am Ziel.«
2
D
er Wirt wies ihnen zwei Kammern
im Obergeschoss an, mit einem winzig kleinen Gelass dazwischen, in dem ein hölzerner Badezuber stand. Anscheinend waren bereits alle nötigen Vorkehrungen getroffen worden, um die beiden bischöflichen Gäste vor ungebetenen Blicken abzuschirmen.
Seltsamere Gäste hatte der Fürstbischof vielleicht niemals vorher beherbergen lassen. Jedenfalls ließ sich das am Mienenspiel des Wirts ablesen, der die Gestalt eines wandelnden Weinfässchens besaß. Schnaufend tischte er ihnen Suppe und Braten, Brot und Käse, Dünnbier und Wein auf, außerdem eine Schale mit Wasser und leidlich saubere Tücher, um ihre Hände vor der Mahlzeit zu reinigen. Dies alles in der vorderen Kammer, wo Tisch und Schemel zwischen Bett und Fenster eingepfercht standen.
Drei Schemel, unglücklicherweise – der junge Hans Wolf ließ es sich nicht nehmen, ihnen beim Essen Gesellschaft zu leisten.Immerhin konnten sie auf diese Weise noch die eine oder andere Neuigkeit von ihm erfahren. Während sie aßen und tranken, schnaufte draußen der Wirt die Stiegen hoch und wieder herunter und schaffte Eimer um Eimer dampfend heißes Wasser herauf.
Du darfst als Erste baden . Amos grinste Klara an. Obwohl der Zuber danach einem Tümpel gleichen wird .
Aber passen wir nicht zusammen hinein? Dann könnte ich dich zumindest untertauchen, wenn du wieder so frech zu einer Dame sprichst .
Bei der Vorstellung, zusammen im Zuber zu sitzen, sich gegenseitig zu waschen und zu necken und nass zu spritzen, begannen ihrer beider Herzen schneller zu schlagen.
Aber wir können den wackeren Hans nicht allein hier hocken lassen , wandte Amos ein. Und außerdem …
Ich weiß schon , fiel sie ihm ins Wort, das Mönchsgesetz … Ihre Augen funkelten dunkelgrün vor Spott und Lust. Aber vielleicht kannst du ihn ja trotzdem davon überzeugen, dass wir uns ausschlafen müssen, um morgen für den Bischof frisch und munter zu sein.
Und für die Bruderschaft, ergänzte Amos, von deren eigentlichen Plänen der Bischof wohl wirklich nur wenig weiß. Er wandte sich dem jungen Maler zu. »Entschuldige, dass wir so schweigsam sind – es ist die Müdigkeit nach der langen Reise. Und den vielerlei Gefahren und Verfolgern, mit denen wir zu kämpfen hatten.«
»Verfolger?«, wiederholte Hans und vergaß vor Schreck fast zu lächeln. »Ihr sprecht – du sprichst doch im Scherz?«
Amos hatte schon begonnen, seinen Kopf zu schütteln, da spürte er neuerlich das vertraute Ziehen von seinem Nabel aufwärts. Lass ihn, Amos. Du machst ihm nur Angst .
»In halbem Scherz und halbem Ernst«, sagte sie lächelnd zu Hans Wolf. »Du machst dir keine Vorstellung, wie abergläubisch manche Leute sind – wenn jemand ein Buch mit sich herumträgt und es sich offensichtlich nicht um eine Bibel handelt, glauben sie sofort, es müsste ein Zauberbuch sein. Vom Teufel selbst verfasst und seinem Jünger zugesteckt.«
Hans Wolfs Lächeln fiel diesmal recht gequält aus. Wieder sah er sich verstohlen um, dabei war außer ihnen dreien niemand in der Kammer. »Doch zum Glück«, sagte er gedämpft, »handelt es sich bei jenem Schriftstück ja um ein gottgefälliges Werk. Es erweckt magische Kräfte in seinen Lesern, aber nur die guten und erlaubten. Ihr stimmt mir doch zu?« Er sah forschend von Amos zu Klara.
Amos nickte ihm zu. »Nun erzähle noch ein wenig, Hans – was erwartet uns morgen? Was für ein Mensch ist der Bischof? Wer außer ihm wird morgen
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