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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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Anbauten. Mönche und Priester schritten zwischen den Häusern hin und her. Eine Kutsche kam ihnen entgegen, in einem Stall schnaubten Pferde, aus einer verborgenen Backstube wehte der köstliche Geruch frischen Brots. Alles wirkte ernst und geschäftig, es war ein Ort, an dem Albtraumgestalten wie die gepanzerten Bücherjäger einfach nicht vorstellbar waren. Doch Amos hatte diesen Gedanken kaum beendet, als von der Wehrmauer hinter dem Fliehturm ein halbes Dutzend Kirchenkrieger herbeigeeilt kamen.
    Ohne ihnen die geringste Beachtung zu schenken, marschierten die Soldaten in ihren purpurroten Uniformen an ihnen vorbei. Wieder wechselten Amos und Klara einen raschen Blick.
    Es hat nichts zu bedeuten, Klara. Sicher haben sie hier einen Stützpunkt – wir sind ja in der Burg eines Kirchenfürsten.
    Und zum Glück als seine Gäste, nicht als Gefangene – jedenfalls laut dem wackeren Hans.
    Sie lächelten einander an. Klara sah großartig aus in ihrem Leinengewand mit den bunten Stickereien, das sie im »Wilden Jäger« in ihrer Kammer vorgefunden hatte. Für ihn selbst hatte Hans Wolf zusätzlich zu Hemd und Hosen eine Weste aus wunderbar weichem Lammleder bereitgelegt. Die Weste hatte links eine geräumige Innentasche, gerade groß genug für das Buch. In den letzten Tagen hatte Amos mehr als einmal befürchtet, dass ihm
Das Buch der Geister
während seiner wilden Flucht aus dem Bündel gefallen oder unter dem Hemd hervorgerutscht wäre. Das war glücklicherweise nicht geschehen, aber fortan würde ihn die leere Westentasche immer daran erinnern, was er besessen und wieder weggegeben hatte.
    Der Gedanke, sich von dem Geisterbuch zu trennen, hatte plötzlich überhaupt nichts Erleichterndes mehr für ihn. Gestern Abend noch hatte er zu Klara gesagt, dass ihm vor den Kräften, die die dritte und die vierte Geschichte in ihm erwecken würden, ein wenig bange sei. Das war auch gewiss keine Lüge gewesen, aber die ganze Wahrheit war es noch sehr viel weniger. Er hatte sein Leben gewagt, um das Buch zu retten, und nun würde er von jener Bruderschaft auch seinen gerechten Lohn verlangen: eine Abschrift der dritten und vierten Geschichte oder, viel besser noch, eine Kopie des gesamten Buchs. Ob und wann er die zweite Hälfte des Geisterbuchs lesen würde, konnte er dann immer noch selbst entscheiden.
    So legte Amos es sich in Gedanken zurecht und sah währenddessen ein ums andere Mal voraus, wo entlang der Wachsoldat sie als Nächstes führen würde. Zwischen der Burgmauer und der Hinterfront jenes wuchtigen Saalbaus verlief ein schmaler Weg, dem würden sie bis fast zu seinem Ende folgen. Auch die Rückseite des lang gezogenen Gebäudes wies eine prächtige Fassadeauf, mit Bleiglasfenstern, gotischen Türmchen und eisenbeschlagenen Türen, die in regelmäßigen Abständen aufeinanderfolgten. Doch dies alles ließen sie rechter Hand liegen und folgten weiter dem Weg bis zu einer unauffälligen kleinen Tür in einem ebenso unscheinbaren Anbau.
    Hier klopfte der Wachsoldat an und stieß, als nichts weiter geschah, seinerseits die Tür auf. »Bitte tretet ein.« Er machte eine einladende Handbewegung. »Der Herr Hofkaplan ist bereits unterrichtet. Ihr werdet nicht lange warten müssen.«
    Amos trat über die Schwelle, Klara folgte ihm dichtauf. Und kaum waren sie eingetreten, da schloss der Wächter auch schon hinter ihnen die Tür.
5
    D
as Vorzimmer lag so verlassen da,
wie Amos es in jener Vision geschaut hatte. Nun aber, da er leibhaftig darin stand, kam ihm die Kemenate noch enger und düsterer vor. Das mochte an dem fahlen Morgenlicht liegen und an den verblichenen Wandgemälden, sonst jedoch war alles, wie er es in der Traumbotschaft gesehen hatte: die Wandbänke unter den Erkerfenstern, im Raum verteilt einige Tische, umringt von Sesseln und Stühlen. Wahrscheinlich drängten sich in diesem Zimmer zu gewissen Stunden die Bittsteller und Bedrückten, die einer nach dem anderen beim Hofkaplan vorsprechen wollten. Heute aber würde außer ihnen niemand vorgelassen werden, dafür würde notfalls der Wachsoldat sorgen, den sie vor der Tür auf und ab marschieren hörten.
    Er lächelte Klara an. Alles verläuft ganz genau so, wie ich es gesehen habe.
    Aber was uns dort erwartet, haben sie dir nicht gezeigt . Sie deutete auf die Tür am hinteren Ende der rechten Längswand, durch die ab und an Fetzen eines Wortwechsels zu vernehmen waren.
    Zu verstehen war nichts. Später würde der Mann mit dem Flammenblick aus der Tür

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