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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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älter als Hannes, kauerte sich vor die Mauer und stieß immer wieder aus aller Kraft mit seiner Stirn dagegen, obwohl ihm das Blut schon in hellen Strömen über die Wangen lief. »Ich bin der Fels, härter als Schlamm«, kreischte er dazu unaufhörlich, »ich bin der Fels, härter als Schlamm«, bis endlich einer der Narrenwächter sich seiner erbarmte. Er kniete sich neben dem Jungen hin, nahm ihn sacht bei den Schultern und zog ihn an sich. Das krampfhafte Weinen des jungen Narren, der sich für einen Fels hielt, schallte bis in die Turmstube hinauf, und Hannes presste verzweifelt seine Zähne aufeinander, um nicht in das Geheule des Verdammten einzustimmen.
    Alexius winkte nun abermals mit dem Tuch und kurz darauf war das schreckliche Schauspiel vorbei. Die Narrenwächter trieben ihre Schützlinge in die Verliese und Zellen zurück, rasselnd ging das Tor wieder zu und auch die Monsignori in der Turmstube begaben sich wieder auf ihre Plätze.
    »Ihr konntet Euch soeben von der Wirkung des Teufelsbuchs und der hierfür angestellten Vorübungen überzeugen«, sagte Cellari,der vom Unglück der Verzauberten nur wenig berührt schien. »Aber ich hatte noch einen weiteren Beweis für meine Überzeugung angekündigt, dass es sich bei dem sogenannten
Buch der Geister
um das Werk des verfluchten Opus Spiritus handelt.«
    Er legte eine kurze Kunstpause ein und lächelte seinen Gehilfen verstohlen zu. »Und hier ist er«, fuhr er dann schwungvoll fort, »sekundo – ich kenne diesen Valentin Kronus, der dreist genug war, sich als Verfasser des Teufelswerks zu erkennen zu geben: Einst gehörte er unserem Orden des heiligen Dominikus an, Monsignori. Mit mir zusammen trat er im 1464. Jahr des Herrn in das Kloster zu Mailand ein, doch schon nach kaum einem Jahr wurde er in Schimpf und Schande wieder verjagt, weil er nachts auf dem Gottesacker die Toten beschwor und sich in seiner Zelle an der Erschaffung künstlichen Goldes versuchte. Vor nunmehr fast drei Jahrzehnten habe ich Kronus aus den Augen verloren, und lange Zeit glaubte ich, dass er nicht mehr am Leben wäre. Aber ich habe mich offensichtlich getäuscht«, rief Cellari aus und deutete abermals auf das unscheinbare Büchlein im hellen Ledereinband. »Beinahe genauso lange bin ich nun schon dem Opus Spiritus auf der Spur und wenn im ganzen Abendland irgendjemand belesen und verworfen genug ist, um die wahnsinnigen Ziele dieses Satansordens zu verwirklichen, dann ist dies unser einstiger Bruder Valentinus, der einmal vor meinen eigenen Augen einen Mitbruder durch dämonische Suggestion dazu gebracht hat, eine ganze Nacht lang wie ein Hase durch das ehrwürdige Refektorium zu springen.«
    Die Monsignori blinzelten ins Licht der Vormittagssonne. Sie wirkten alarmiert und zugleich ermattet und Leo Cellari sah nun so siegesgewiss aus, als ob er genau diese Gefühlsmischung angestrebt hätte. Ohne seinen Zuhörern die geringste Verschnaufpause zu gönnen, ging er zur »Conclusio« über, der Schlussfolgerung aus alledem, was er vor den hohen Hüten an diesem Morgen ausgebreitet hatte. »Valentin Kronus ist der Teufel in Menschengestalt«, sagte er mit samtener Stimme, »und sein
Buch der Geister
ist das gefährlichste Schwert, das der Leibhaftige jemals in die Hände bekommen hat – und er hält es bereits drohend erhoben, Monsignori, bereit, es der Christenheit ins Herz zu stoßen. Doch wir wissen nun, wo sich der Teufel versteckt hält, und so bitte ich Euch untertänigst, weise Streiter Christi: Stattet mich mit dem winzigen Abglanz Eurer Macht aus, den ich benötige, um mit meinem wackeren Gefährten, dem Unterzensor Skythis, das Satansnest auszuräuchern.«
    Noch einmal unterbrach er sich, aber diesmal nur, um für die Schlussfanfare Luft zu holen. Er breitete die Arme aus, dass das schneeweiße Unterkleid unter seiner Robe leuchtete und rauschte. Im Schein der Vormittagssonne, die durch die löchrige Balkendecke brach, funkelten die Edelsteine auf seinem Kruzifix und der tränenförmige Rubinring um die Wette. »Ernennt mich zum Inquisitor für Nordbayern und Franken bis hinauf zur böhmischen Grenze, hochmächtige Herren«, rief Leo Cellari aus, »so verspreche ich hiermit, dass ich binnen Jahresfrist den Teufel Kronus für Euch gefangen nehmen, sein Satansbuch im Original und in allen Abschriften vernichten und das Opus Spiritus bis hinab zu seiner Wurzel in Stücke hacken werde, so wahr mir Gott helfe.«

Kapitel IV

1
    A
ls Amos erwachte,
war sein erster Gedanke:

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