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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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wirkte. Das mochte auch an der schwarzen Kutsche neben dem Ziehbrunnen liegen und an dem halben Dutzend Soldaten in Purpurgewändern, die vor sämtlichen Einund Ausgängen Wache standen. Vor der Tür zum Mühlhaus war ein Kirchenkrieger postiert, ebenso neben dem Durchgang zum Stall und am Waldrand, dem das u-förmige Gehöft seine offene Seite zuwandte – unsinnigerweise, denn vom Wald her führte nur ein schmaler Pfad zur Mühle hinab, überdies mit steilem Gefälle und direkt neben dem Gießbach, der sich dort in einen schäumenden Wasserfall verwandelte.
    Hannes Mergelin sah sich das alles nur flüchtig an, denn die ganze Umgebung missfiel ihm sehr. Hinter Gregor hinkte er aufdas Haupthaus zu und ärgerte sich über den Boden unter seinen Füßen, der nicht einmal festgestampft war. Die aufgeweichte Erde gab bereits unter seinem geringen Gewicht bei jedem Schritt nach – wie sollte das erst werden, wenn sie Truhen voller Teufelsbücher durch diesen Morast trugen?
    Wie es der Kutscher des Inquisitors geschafft hatte, seine Karosse über die mürbe Brücke ins Gehöft zu steuern, war ohnehin rätselhaft. Hannes erwog, Gregor danach zu fragen, aber dann ließ er es doch lieber sein – der stämmige Mann im Flickenpanzer war in so rabenschwarzer Stimmung, dass man ihn besser gar nicht ansprach. Die Wunde an seiner rechten Kopfseite schien ihm arge Schmerzen zu bereiten. Er hatte sich einen Verband aus grauem Tuch um den Kopf gewickelt, der ihn noch sonderbarer aussehen ließ. Sein Ohr, das ihm der riesenhafte Räuber mit der Stirnnarbe abgehackt hatte, bewahrte Gregor in einer Schweinsblase voller Spiritus auf. Wofür das wiederum gut sein sollte, wollte Hannes gar nicht wissen – was ihn betraf, so hatte er von diesem Abenteuer mehr als genug. Er wollte nur noch auf dem schnellsten Weg zurück nach Nürnberg, in sein altes, gleichförmiges Hilfsschreiberleben.
    Doch all das war mit einem Schlag vergessen, als Hannes in die Wohnstube des einstigen Mühlenhofs trat. Mit mancherlei hatte er gerechnet – mit einem Alchimistenlabor oder einer Stätte magischer Beschwörung, mit Kreidezeichen auf dem Boden und einem Gestank nach Schwefel und Fäulnis, der in der Kehle würgte. Doch was er stattdessen vor sich sah, war eine gewaltig große Bibliothek.
    Manuskripte und Schriftrollen, wohin er auch blickte. In Regalen, Schränken, auf Schemeln gestapelt – und auf dem ungeheuer großen schwarzen Pult, dem sonderbarsten Möbelstück, das Hannes jemals erblickt hatte. Es sah aus wie ein halb aufgeschlagenes, aufrecht hingestelltes Buch. Von den goldenen Schriftzeichen, die seinen Umschlag bedeckten, konnte er allerdings kein einziges entziffern. Unheimlich aussehende Requisitenlagen auf dem Pult verstreut – ein winziger Totenkopf, ein vergoldeter Mistelzweig, ein silbernes Pentagramm. Hannes humpelte näher heran und fuhr eben mit dem Finger über die kunstvollen Intarsien auf der Pultfläche, als der Unterzensor aus dem Hinterzimmer trat.
    »Gregor, Johannes«, stieß er hervor. »Da seid ihr ja endlich.« Skythis machte einen Schritt auf sie zu und blieb gleich wieder stehen, wie von unsichtbaren Kräften festgebannt. »Schau dir das an, Gregor – hast du so etwas schon einmal gesehen?« Er schien tief erschüttert. »Eine Büchersammlung von solchen Ausmaßen – und von solcher Verworfenheit. Die dämonischsten Schriftwerke stehen hier nebeneinander wie andernorts Bibel und Gesangbuch – dabei hat Kronus die eigentlichen Teufelsbücher in seinem Hinterzimmer verwahrt. Es ist unfassbar.«
    Skythis schüttelte den Kopf und legte seine plumpen Hände wie zum Gebet aneinander, aber glücklicherweise nur kurz. »Einiges habe ich schon aussortiert«, fuhr er fort, »dort auf dem Pult und da drüben auf den Schemeln. Oben« – er wies zu der Stiege an der Seitenwand der Stube – »findet ihr Truhen voller Plunder und allerlei Zauberkram. Leert die Kästen aus, füllt sie stattdessen mit den aussortierten Büchern und bringt alles zum Wagen.«
    Nun erschien auch der Inquisitor in der Tür zum hinteren Zimmer – Hannes hatte gar nicht mitbekommen, dass Cellari sich dort zu schaffen machte. Allerdings hatte er ohnehin schon beträchtliche Mühe, den Worten des Unterzensors zu folgen. Das kam einmal durch das lang gestreckte Lumpenbündel, das vor der linken Bücherwand am Boden lag und das zuweilen ein Zucken und Zittern überlief, falls Hannes sich nicht täuschte. Noch mehr als von dieser fragwürdigen Rolle, die mit

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