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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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Seilen vielfach umschnürt war, wurde er jedoch durch einen eigentümlichen Sog abgelenkt, ein mysteriöses Locken und Ziehen.
    Hannes hätte nicht sagen können, um was für ein geheimnisvolles Etwas – oder vielleicht sogar einen Jemand – es sich dabeihandelte. Er spürte nur, dass irgendwo dort draußen etwas war, das ihn mit übernatürlichen Kräften herbeizuziehen versuchte. Es war geradezu ein Reißen und Zerren, gegen das er sich innerlich steif und starr machte, damit er nicht einfach aus der Tür hinausgeschleift wurde. Über den matschigen Hof, durch den baufälligen Stall, über die Brücke, den Weg und die Weide und von dort wahrscheinlich immer weiter, in das Dickicht dahinter oder weiß der Teufel wohin.
    Natürlich kam es nicht infrage, dass er diesem Ziehen und Zerren jetzt nachgab – im Gegenteil: Der Unterzensor klatschte in die plumpen Hände und sah seinen Hilfsschreiber auffordernd an. Der schaffte es immerhin mit einiger Mühe, sich ins Gedächtnis zu rufen, was eben zwischen den Anwesenden besprochen worden war.
    »Lasst das da rasch zum Wagen schaffen, Freund«, hatte nämlich der Inquisitor gesagt und dabei mit dem Kinn zu dem länglichen Bündel am Boden gedeutet. »Das Original seiner Teufelsschrift hat Kronus offenbar an einem anderen Ort versteckt, wie ich es schon vermutet hatte. Und alles andere hier überlasst getrost dem Feuer.«
    Doch darauf Skythis, bellend vor hellem Entsetzen: »Um Gottes willen, Cellari – Ihr wisst nicht, was Ihr da sagt! Wer mit Dämonie vergiftete Schriften absichtlich vernichtet, dem ist ein elendes Schicksal gewiss. Unheilbares Siechtum, unaufhörliche Verblendung durch teuflischsten Gaukelspuk – nein, es gibt keine andere Lösung: Ich muss zumindest all jene Schriftwerke mitnehmen, die ich bei erster Durchsicht als Teufelsbücher identifizieren kann. Ihr kennt meinen Bücherkerker, Cellari – wenn die Satanswerke dort eingeschlossen sind, ist die Christenheit vor ihnen sicher.« Und ehe der Inquisitor spöttische Gegenreden drechseln konnte, hatte Skythis seine kurzfingrigen Hände gegeneinandergeschlagen und ausgerufen: »Auf geht’s, Gregor, Johannes – alles, was ich für euch dort drüben aufstapele, verpackt ihr in Truhen und tragt es zum Wagen hinaus.«
    »Nun, wie Ihr meint, Freund. Wo die Büchermystik glüht, bleibt der Vernunft nur wenig zu erhellen.« Der Inquisitor lächelte geziert. »Doch als Erstes lasst, ich bitte Euch, jenes dort verstauen.« Abermals wies er mit seinem ausgeprägten Kinn zu dem Bündel am Boden, und wieder schien es Hannes, als ob die vielfach zusammengeschnürte Lumpenrolle ein Beben durchliefe.
6
    A
ls Amos zu sich kam,
glaubte er zuerst, es wäre tiefe Nacht. Alles um ihn herum war schwarz. Etwas erstickend Schweres lag auf ihm. Mit Mühe gelang es ihm, einen Arm unter dem klebrig nassen Berg hervorzuziehen. Und während er noch die kalte Hand, die starre Schulter, den schorfig klammen Haarfilz über sich befühlte, fiel ihm alles wieder ein.
    Er wand sich unter dem Leichnam hervor. Längst war es heller Tag geworden. All seine Kraft musste er aufbieten, um Höttsche auf den Rücken zu drehen, aber er schob und drückte, ohne groß darüber nachzudenken. Als er den starren Körper endlich herumgewälzt hatte, beugte er sich über ihn und schloss dem Hauptmann sanft die Augen.
    Du hast meine Eltern getötet und mein Leben gerettet, Höttsche – und ich weiß da wie dort nicht, warum.
    Er richtete sich wieder auf, und unvermittelt kam ihm in den Sinn, dass er der einzige Überlebende wäre – nicht nur in diesem Saal voll getöteter Männer, sondern in der ganzen weiten Welt. Dass alles um ihn herum so leblos, starr und steinern wäre, wie sich auch in seinem Innern alles anfühlte.
    Kronus, weiser Herr, dachte er – sollte
Das Buch der Geister
in mir nicht die Gabe der Gefühlsmagie erwecken? Das war ja für kurze Zeit auch geschehen, doch um welchen Preis. Von dem Pulsieren jenes inneren Lichtquells konnte er nichts mehr spüren –und selbst sein Herz steckte ihm so fühllos in der Brust wie ein rostiger Eisenklumpen.
    Oda ist tot. Das hatte er in der Nacht schon, als ihr Schrei so unvermittelt abgebrochen war, mit furchtbarer Klarheit gespürt. Jetzt aber war es für ihn bloß noch ein Geklingel von Silben, bei dem er nichts empfand. Nur fühllose Starre.
    Und wie es wohl Kronus ergehen mochte? Auch das fragte sich Amos ganz mechanisch und empfand nichts dabei. Mit seinem Herzen aus rostigem Eisen.
    Er

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