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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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aus Stein.
    Allein, dachte er, jetzt bin ich ganz und gar allein.
    Noch während er dies dachte, spürte er in seiner Brust einen warmen Strom. Amos schloss die Augen und richtete sich im Knien auf. In seinem Innern erblickte er den rotgolden pulsierenden Punkt und ein kraftvoll leuchtender Goldstrahl ging davon aus. Er verband sein magisches Herz mit einem zweiten Lichtquell, der war ungleich größer und leuchtete so hell wie der Abendstern in tiefer Nacht. Eine wärmende Kraft ging von diesem Stern aus, doch zugleich überlief ihn ein unaufhörliches Beben und Flackern.
    Gütiger Gott, dachte Amos – Kronus ist am Leben, aber er schwebt in großer Gefahr.
    Er öffnete seine Augen. Er fühlte, dass er nun stark genug war, um die Aufgaben zu erfüllen, die er als Nächstes meistern musste. Er würde seine Schwester zur letzten Ruhe betten und dann Kronus zu Hilfe eilen – und er spürte ganz deutlich, dass dies die richtige Reihenfolge war.
7
    D
as längliche Bündel
hatten sie zuunterst im Wagen verstaut, dann die Eisenplatte auf den sargförmigen Käfig gelegt und Unmengen von Truhen und Säcken darübergestapelt. »Ob da der Bücherteufel Kronus drin ist?«, hatte Hannes gefragt, und Gregor hatte ausgespien und zurückgeknurrt: »Was denn sonst!«
    Trotzdem war sich Hannes noch immer nicht sicher, dass das Bündel tatsächlich den »Satan in Menschengestalt« enthielt. Es war so dick mit Teppichen und sonstigen Tuchbahnen umwickelt, dass es genauso gut einen kleinen Baumstamm enthalten konnte – oder auch überhaupt nichts weiter als eine Vielzahl fest ineinandergewickelter Teppiche und Tücher. Doch das hätte keinen Sinn ergeben, und nach Umriss und Gewicht entsprach das Bündel recht genau den Maßen, die man bei einem mageren alten Mann von mittlerer Größe erwarten durfte. Und als sie das Bündel endlich in das Gitterloch unten im Wagen gewuchtet hatten und gerade die Eisenplatte darüberschoben, sah Hannes ganz deutlich, dass ein Zittern und Zucken über das Bündel lief. Doch kaum saß die Platte richtig in ihrem Rahmen, da kamen ihm auch schon wieder Zweifel. Vielleicht war einfach ein Luftzug darübergestrichen und hatte Lumpen und lose Schnüre ein wenig bewegt. Nur – warum hätte sich dann Cellari wegen des Bündels so besorgt gezeigt? Allerdings hatte der Inquisitor die Rolle nur »das da« und »jenes dort« genannt. Hätte er nicht sehr viel eher »der da« und »jener dort« gesagt, falls sie in diese Lumpen wirklich den Bücherteufel Kronus eingeschnürt hatten – mochte der nun lebendig oder tot oder auch halb tot und halb lebendig sein?
    Den Unterzensor zu fragen, zog Hannes nicht einmal in Betracht. Skythis war in noch abgründigerer Stimmung als der Gepanzerte, und schon Gregor sah so grimmig drein, dass selbst die Purpurkrieger sich vor ihm zu fürchten schienen. Was sie allerdings nicht dazu veranlasste, ihnen bei der Schlepperei zu helfen – im Gegenteil. Sie zogen sich in möglichst entfernte Winkelzurück und beobachteten nur aufmerksam, wie Hannes und Gregor Truhe um Truhe und Sack um Sack zum Eisenwagen trugen.
    Unermüdlich riss der Unterzensor in Leder oder Holz gebundene Bücher aus den Regalen, blätterte kurz darin und warf jedes zweite oder dritte Schriftwerk zu Boden. Längst schon machte er sich nicht mehr die Mühe, die aussortierten Manuskripte sorgsam zu stapeln – er ließ sie einfach fallen und zog mit der anderen Hand bereits das nächste Teufelsbuch heraus. » Die Schrift der Schatten – unfassbar«, hörte Hannes ihn murmeln, während er und Gregor die nächste Truhe mit Büchern füllte. Fahrig riss er das nächste Schriftstück aus dem Regal, überflog ein paar Seiten und schleuderte es gleichfalls auf den Boden. »Sogar vom Buch der Beschwörung hat dieser Satan eine Abschrift – die Hölle selbst kann keine bessere Bibliothek besitzen.«
    Hannes’ linker Fuß fühlte sich längst wie ein Klumpen rohes Fleisch an. Seine Hände waren mit Blasen übersät. Das Gewand klebte ihm am Leib, während Gregor seltsamerweise überhaupt nicht schwitzte oder gar entkräftet schien. Unermüdlich trottete er zwischen der Teufelsbücherei und dem Wagen hin und her, fluchte allenfalls leise vor sich hin, wenn Hannes ihn wieder einmal anflehte, ihre Last kurz absetzen zu dürfen.
    »Du hast gehört, was der Inquisitor gesagt hat.« Gregor zog sich das Pflaster von der Wunde, spuckte darauf und klebte es von Neuem fest. »Wenn die Glocken acht Uhr läuten, soll der

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