OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger
wollte Hannes keinesfalls. Also, er war Amos und Klara bis nach Bamberg gefolgt und hatte sich im Stall der Herberge auf die Lauer gelegt, wo die beiden sich einquartiert hatten. Am nächsten Morgen waren Klara und Amos hinauf in die Bischofsburg gegangen, doch dann war Klara allein zurückgekehrt, offenbar auf der Flucht vor den Soldaten des Bischofs …
Erneut legte Hannes eine kurze Pause ein, aber das vor seinen Augen funkelnde Messer brachte ihn rasch wieder auf Trab.
Dass er Klara
Das Buch
sogar einmal für kurze Zeit abgejagt hatte, erwähnte er lieber nicht. Es war ihm peinlich, wie sie ihn damals in der Pegnitz niedergerungen hatte, während er den Rand des Bootes, mit dem er fliehen wollte, praktisch schon umklammert hielt. Stattdessen erzählte er Meinolf lieber, wie Klara sich im Wald versteckt und er sie heimlich beobachtet hatte. Eines Morgens war sie auf und davon geritten, und er war ihr auf dem Muli, das er sich vorsichtshalber zugelegt hatte, unauffällig gefolgt.
»Jetzt wird es interessant, Mergelin.« Meinolf hob seinen Dolch und malte gedankenverloren ein großes X in die Luft vor Hannes’ Brust. »Und wohin ist unsere kleine Teufelin dann geritten – willst du mir das nicht auch noch verraten?«
Hannes atmete so behutsam wie möglich aus und ein. Die Spitze von Meinolfs Dolch schwebte jetzt ziemlich genau vor seinemHerzen. »Na, ins Gebirge eben«, sagte er, »dorthin, wo Amos dann freigekommen ist.«
»Wo sie ihren Mitteufel befreit hat, willst du wohl sagen.« Diesmal malte Meinolf ein großes U vor Hannes’ Gesicht in die Luft, die selbst hier im Schatten der Kreuzskulpturen fast unerträglich heiß war. »Sie hat sich ein Gewehr besorgt, um die Ketzerhorde bei der Befreiung ihres Kumpanen zu unterstützen – und sie wusste außerdem ganz genau, wann und wo sie aus dem Wald hervorstürmen sollte. Versuche nur nicht, mich für dumm zu verkaufen – die bischöflichen Wachsoldaten haben mir alles haarklein erzählt.« Der Dominikaner beugte sich noch weiter zu Hannes herüber. »Und woher hat sie all das wissen können, Mergelin?«
Hannes zuckte mit den Schultern. »Von mir nicht«, presste er hervor.
»Nein, Idiot – von dir ganz bestimmt nicht.« Meinolf rückte noch näher an ihn heran und legte ihm seinen rechten Arm wie freundschaftlich um die Schultern. »Aber vielleicht hast du ja gesehen, wie die Thalgruber jemanden getroffen hat – irgendwann in den Tagen, bevor sie losgeritten ist, um ihren Amos freizuschießen?«
Wieder wollte Hannes den Kopf schütteln, doch stattdessen blieb er reglos sitzen und sah nur starr auf die Dolchklinge in Meinolfs Hand. Auch auf diese Frage hatte er sich ja seit Langem eine Antwort zurechtgelegt. Eigentlich hatte er einfach sagen wollen, dass er Klara schließlich nicht von früh bis spät in ihrem Waldversteck beobachtet hätte. Bestimmt hatte sie sich mit einem Boten getroffen, der ihr irgendwelche geheimen Instruktionen erteilt hatte – wie sonst hätte sie wissen können, wann und wo sie mit dem Gewehr erscheinen sollte?
Aber all diese wohlerwogenen, wenn auch durch und durch lügenhaften Sätze wollten ihm einfach nicht über die Lippen kommen. Natürlich wollte er dem Gehilfen des Inquisitors kein Sterbenswörtchen offenbaren, durch das Klara oder Amos oder
Das Buch der Geister
in Gefahr geraten könnten. Aber gleichzeitigwollte er Meinolf doch davon überzeugen, dass
Das Buch
seinen Lesern gute und nützliche magische Kräfte verlieh. Und da konnte Hannes ihm doch jetzt nicht einfach vorlügen, dass sich Klara mit irgendeinem Boten getroffen hätte – wo sie so etwas doch gar nicht mehr nötig hatten, weil sie Gedankenbotschaften über beliebig große Entfernungen austauschen konnten!
Und so leckte sich Hannes über seine plötzlich staubtrockenen Lippen und sagte: »Ich habe sie die ganze Zeit über im Auge gehabt. Niemand war bei ihr und sie ist auch nirgendwo hingegangen – bis sie an jenem Morgen bei Tagesanbruch plötzlich losgeritten ist.«
Der Dominikaner starrte ihn an. Sein Arm krampfte sich um Hannes’ Schultern, das Messer in seiner Linken zielte zitternd auf Hannes’ Nabel. »Das heißt also …« Seine Stimme erstarb zu einem heiseren Flüstern. »Du meinst, sie wurde wahrhaftig durch eine magische Botschaft instruiert?«
Hannes nickte zaghaft. »So hat sie es mir jedenfalls erzählt«, schob er nach. Auf einmal war er sich durchaus nicht mehr sicher, ob es eine gute Idee war, Meinolf von der wundersamen Wirkung
Weitere Kostenlose Bücher