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OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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Vorüberreiten geerntet hatte. Sie war todmüde, aber viel zu aufgeregt, um zu schlafen.
    Nur zwei oder drei weitere Pferde waren weiter vorne im Stall untergestellt worden, und auch nebenan in der Herberge ging es offenbar ruhig zu. Was allerdings auch nicht erstaunlich war: Wer es nach tage- oder wochenlanger Reise bis hierher geschafft hatte, der wollte die Nacht auch möglichst innerhalb der Stadtmauern verbringen. Schließlich waren es unruhige Zeiten, und weder das Fachwerkgemäuer der Herberge noch gar der hölzerne Stall boten Schutz gegen Räuber und Mordbrenner.
    Wer dennoch hier draußen im Gasthaus abstieg, hatte im Allgemeinen gute Gründe, die prüfenden Blicke der Stadtwächter zu fürchten. Und das galt natürlich auch für Klara – im Innern der gewaltigen Stadtmauern hätte sie in dieser Nacht erst recht kein Auge zugetan. Eben deshalb hatte Bruder Egbert ihr ja auch geraten, die Nacht in diesem Gasthaus zu verbringen. Sie sollte sich erst dann aus ihrem Versteck hervorwagen, wenn sie von Mutter Sophia eine weitere Botschaft erhalten hätte – und dann schleunigst durchs Tor schlüpfen und zu ihr eilen. Zweifellos hatte der Inquisitor Cellari Sorge getragen, dass jeder Torwächter und jeder Stadtknecht nach ihr und Amos Ausschau hielt. Jede Minute, inder sie sich in den Nürnberger Gassen herumtrieb, vergrößerte nur die Gefahr, dass ein Stadtbüttel oder gar ein Purpurkrieger auf sie aufmerksam würde.
    Die Knie unters Kinn gezogen, saß Klara in ihrem Verschlag und lauschte zur Tür hin. Womöglich hatte der Stallknecht ja ihre Maskerade durchschaut und würde irgendwann im Schutz der Nacht zurückgeschlichen kommen? Ihr wurde ein wenig übel vor Angst und fast mehr noch vor Ekel. Der Knecht hatte Hände wie Mistschaufeln – so groß und vor allem auch so dreckig. Aber wegen dieses alten Kerls machte sie sich eigentlich keine Sorgen. Mit den überweiten Hosen und der speckigen Weste aus Leanders Kleiderbündel, auf dem Kopf eine formlose Filzmütze von unbestimmbarer Farbe, sah sie auf den ersten und noch auf den zweiten Blick ganz und gar wie ein Bursche aus. Schweren Herzens hatte sie mit Sarahs Hilfe sogar ihr hüftlanges Haar so weit zurückgeschnitten, dass nur noch ein goldblonder Haarhelm ihren Kopf bedeckte. Stammelnd vor Dankbarkeit (und wohl auch ein wenig vor törichter Verliebtheit) hatte Leander ein ums andere Mal ausgerufen: »Wär ich ein Mä… Mädchen, Klara – ich würd mich glattweg in dich verlieben!«
    Sie musste lächeln, als sie an Leander dachte, der wie selbstverständlich wieder reden konnte, seit er aus Ritter Laurenz’ Welt zurückgekehrt war. Aber sie durfte nicht lächeln, bei allen guten Geistern – sie musste grimmig und herausfordernd dreinschauen. So machten das schließlich alle Burschen, und wenn sie doch einmal ihre Miene verzogen, dann höchstens zu einem höhnischen oder herablassenden Grinsen. Klara seufzte leise auf. Es war mühsam, sich unentwegt wie ein Junge aufzuführen.
    »Ich heiße nicht Klara«, hatte sie Leander zurechtgewiesen und ihn dabei so grimmig wie nur möglich angesehen. »Mein Name ist Adrian Grünwald, merk dir das gefälligst!« Dazu hatte sie halbwegs höhnisch gegrinst.
    Adrian Grünwald – so hieß der Sohn des Puppenspielers, der für sie vor langen Jahren wie ein großer Bruder gewesen war.Adrian und sein Vater waren oftmals mit Klaras Eltern zusammen durch die Lande gereist. Er war ein schweigsamer Junge und mit seinen Händen viel geschickter als mit seinem Mundwerk. Auch in diesem Punkt, sagte sich Klara, tat sie gut daran, sich Adrian Grünwald zum Vorbild zu nehmen: Je weniger sie mit Fremden redete, desto besser.
    Schwieriger als alles andere war es nämlich, mit verstellter Stimme zu sprechen. Am besten würde sie die restliche Nacht damit verbringen, einen brummigen Stimmklang einzuüben. Überdies nuschelten die Burschen ihres Alters oftmals auch noch aus den Mundwinkeln heraus, und das machte es nicht eben einfacher, ihre Sprechweise nachzuahmen. Schon während sie von Pegnitz hierher geritten war, hatte Klara unablässig in brummigem Selbstgespräch vor sich hingenuschelt. Nur wenn die Füchsin augenrollend ihren Kopf hin und her geworfen hatte, weil ihr die Wandlung ihrer Herrin anscheinend zu unheimlich wurde, dann hatte sich Klara nach vorn gebeugt und der Stute mit ihrer eigenen Stimme beruhigende Worte ins Ohr geflüstert.
    Quälend langsam verging die Nacht. In den ersten Stunden getraute sich Klara nicht

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