OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger
des
Buchs der Geister
zu überzeugen.
»Und von wem sie diese Teufelsbotschaft bekommen hat, Mergelin – das hat dir die Thalgruber doch bestimmt auch erzählt?« Auf Meinolfs Wangen begannen aufs Neue die Feuermale zu blühen. Obwohl er flüsterte, dröhnte jedes seiner Worte in Hannes’ Schädel.
»Nein«, beteuerte Hannes, »das hat sie mir nicht gesagt.« Er schüttelte den Kopf, um seine Behauptung zu bekräftigen. Doch er war nun ziemlich durcheinander und wusste eigentlich gar nicht mehr, was er abstreiten und was lieber zugeben sollte. Diese Befragung ging einfach über seine Kräfte. Wie gern hätte er wieder seine Augen geschlossen und wäre wieder in seine Träume und Erinnerungen eingetaucht!
Doch Meinolf ließ es nicht zu. Er umklammerte Hannes’ Schultern und schüttelte ihn hin und her. »Das hat sie dir nichtgesagt?« Er brachte sein Gesicht so nahe an Hannes heran, dass ihre Nasen gegeneinanderstießen. Zusätzlich hob er auch noch sein Messer und drückte die Klinge gegen Hannes’ Kehle. »Dann frage sie«, zischte er, »jetzt, Mergelin!«
»Wie … wie denn das?«, stotterte Hannes. »Sie … sie ist doch nicht hier?«
»Aber du hast in ihrem Teufelsbuch gelesen, Mergelin!« Glücklicherweise hörte Meinolf nun zumindest wieder auf, ihn hin und her zu schütteln. Er drehte sich von ihm weg, ließ auch das Messer sinken und lehnte sich gegen die Rückseite des Erlöserkreuzes. »Du hast in diesem Buch gelesen«, wiederholte er, »und es hat auch in dir ein Teufelslicht angezündet – genauso wie bei den anderen Jüngern dieses Satansbundes. Und das bedeutet …« Erneut drehte er sich zu Hannes hin und legte ihm diesmal seine Linke mit dem Messer auf die Schulter, als ob er ihn umarmen wollte. »Es bedeutet, dass du der Thalgruber oder dem Hohenstein magische Botschaften schicken kannst, genauso wie sie umgekehrt dir.«
Hannes spürte, wie die Klinge seitlich über seinen Hals fuhr.
»Stimmt’s, Mergelin – du kannst ihnen doch magische Botschaften schicken?« Meinolfs Augen funkelten. Die Rosen auf seinen Wangen leuchteten wie die Flammen, die damals aus Kronus’ Dach geschlagen waren.
Hannes starrte ihn an. Verzweifelt versuchte er, einen klaren Gedanken zu fassen. Er fühlte sich so schwindlig, so wirr im Kopf, so sterbensmatt. Was würde er antworten: Ja? Nein? Er wusste es selbst nicht, bis er sich mit leiser Stimme sagen hörte: »Oh ja, das kann ich allerdings.«
»Dann frage sie – jetzt! Frag sie, wer ihr befohlen hat, zu jener Stelle im Wald zu kommen.«
Hannes schüttelte verzweifelt den Kopf. Er hatte einen schrecklichen Fehler begangen, das erkannte er nun allzu genau. Doch jetzt war es zu spät. »Ich kann nicht!«, rief er aus.
»Was soll das heißen? Du lügst doch, Mergelin!« Meinolf sah ihn durchbohrend an. »Eben hast du dich noch damit gebrüstet, dass du deinen Kumpanen magische Botschaften schicken könntest!«
»Ja – nein – oh mein Gott«, flehte Hannes.
Das Messer in Meinolfs Hand schwankte wie ein Uhrpendel hin und her, haarscharf neben Hannes’ Schläfe. Wie sollte er Meinolf nur von dieser schrecklichen Idee wieder abbringen? Er konnte doch nicht zur Begründung anführen, dass er Klara liebte und Valentin Kronus verehrte und dass er sich lieber in Stücke schneiden lassen würde, als
Das Buch
oder irgendeinen Angehörigen des Opus Spiritus in Gefahr zu bringen! Es war die lautere Wahrheit, aber wenn er damit jetzt herausrückte, dann würde Meinolf ihn doch nur noch wütender mit seinem Messer und seinen Fragen traktieren!
»Du lügst, Mergelin!«, stieß der Dominikaner hervor. »Unverzüglich wirst du deiner Mitteufelin jetzt die Frage stellen, die ich dir aufgetragen habe! Wenn ich sie noch einmal wiederholen muss, schneide ich sie dir Letter für Letter in die Haut!«
Er packte Hannes beim Kragen und zog ihn so zu sich herüber, dass Hannes mit dem Rücken auf Meinolfs Knien zu liegen kam. Eine Hand hielt ihn an der Kehle niedergedrückt, die zweite schnitt ihm mit scharfem Ratschen das Gewand vom Gürtel aufwärts entzwei. Hannes spürte die kalte Härte der Dolchklinge, die sich zwischen seine Rippen pikte, bereit, die Frage des Dominikaners in seine Haut zu schreiben. »Ich warte, Mergelin!«
Erneut wollten Hannes die Sinne schwinden. Mit seiner allerletzten Kraft spähte er nach innen und erblickte den matt blinkenden kleinen Stern, sein eigenes magisches Herz. In beträchtlicher Ferne erstrahlte Klaras mächtiges Gestirn an seinem
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