OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger
magische Herzen, und Klara stellte sich vor, wie sie auf diesem goldenen Strom zu Amos hinüberfuhr. Gleich darauf spürte sie das vertraute Kribbeln in ihrem Magen und ein leichtes Sausen hinter der Stirn.
Amos?
Klara? Seine schlaftrunkene Gedankenstimme ließ ihr Herz rascher klopfen. Was ist los?
Habe ich dich geweckt? , fragte sie zurück.
Hmm , brummte er. Ich liege in einem verlassenen Schäferkarren, zwei oder drei Stunden vor Würzburg . Und dann, offenbar tief verwundert: Du klingst so anders, Klara – wo bist du, was ist passiert?
Sie musste lachen und achtete sorgsam darauf, dass ihr Gedankenlachen einen herausfordernden Unterton bekam. Ich bin nicht heiser , antwortete sie, ich bin Adrian .
Was soll das heißen? Ich verstehe kein Wort.
Sie tastete nach ihrem Bündel, zog ein Schwefelholz hervor und strich es an. Schau mich an , sagte sie. Das müssten wir doch auch allmählich hinbekommen: dass du durch meine Augen siehst, was ich gerade anschaue . Sie hielt das Schwefelholz so, dass es Leanders Weste und Hosen beleuchtete. Was siehst du, mein Auserwählter?
Du hast Burschenzeug an , stellte er fest. Wozu soll das gut sein?
Ganz einfach. Sie musste aufs Neue lachen und diesmal vergaß sie alles – brummig zu sprechen und ihrem Lachen einen höhnischen Unterton zu verleihen. Ich habe mich als Junge vermummt, damit mir kein fremder Kerl mehr schöne Augen macht .
Das verschlug ihm erst einmal die Gedankensprache. Um Himmels willen, Klara , sagte er dann, sind die Purpurkrieger noch hinter dir her?
Keine Angst, ich habe sie abgeschüttelt – mit Bruder Egberts Hilfe, versicherte sie ihm, auf einmal wieder ganz ernst. Mach dir keine Sorgen, Amos, ich habe mich nur vorsichtshalber als Junge verkleidet – damit mich hier in Nürnberg möglichst niemand erkennt. Außer Mutter Sophia natürlich.
Das Schwefelholz war längst heruntergebrannt und sie zündete kein weiteres an. Sie wollte alles vermeiden, womit sie auch nur das geringste Aufsehen erregen könnte. So erzählte sie Amos einfach, wie sie sich von Bruder Egbert und den anderen verabschiedet und die Strecke von Pegnitz bis vor die Tore Nürnbergs in einem halben Tag hinter sich gebracht hatte. Von Mutter Sophia hatte sie bisher keine weitere Botschaft erhalten, aber sie war sich sicher, dass sie bald von ihr hören würde. Ich spüre ganz deutlich, dass ich sie morgen sehen und mit ihr sprechen werde , sagte sie.
Dass sie gestern wie ein Geist in Johannes Mergelin gefahren war und durch seinen Mund den Dominikanermönch Meinolfangeschrien hatte, erwähnte Klara nach kurzem Überlegen lieber nicht. Es war ihr noch immer viel zu unheimlich, auch nur daran zu denken. Außerdem wollte sie Amos jetzt nicht auch noch unnötig beunruhigen – sie beide hatten auch so schon mehr als genug um die Ohren.
Du hast es gut , antwortete Amos. Wenn ich morgen Kronus wiedertreffen könnte – es wäre mein glücklichster Tag seit Langem. Er seufzte leise. Aber Trithemius hat sicher recht – jetzt muss ich mich eben an ihn halten.
Sei vorsichtig. Sie sandte ihm einen heißen Lichtstrahl, glitzernd vor Liebe und funkelnd vor Zärtlichkeit. Gute Nacht, mein Auserwählter.
Schlaf du auch gut, Klara. Und pass auf dich auf.
Die Verbindung brach ab. Klara hob ihre Lider, die sich auf einmal bleischwer anfühlten. Draußen war es nun finstere Nacht. Noch einmal lauschte sie angespannt zur Tür hin. Doch um sie herum war alles so still wie in einer Gruft.
Nur die Füchsin schnaubte über ihr leise im Traum. Klara bettete sich neben ihr ins Stroh und war gleich darauf eingeschlafen.
2
A
m nächsten Morgen war
Adrian Grünwald in aller Frühe auf den Beinen. Dem Stallknecht, der steifbeinig herbeigestakst kam, drückte er weitere fünf Heller in die unverändert schmutzverkrustete Hand. »Ich bleibe noch länger«, erklärte er barsch. »Versorge das Pferd – ich bin spätestens morgen zurück.« Er schaute den Knecht herausfordernd an und der senkte ergeben den mistfleckigen Glatzkopf.
»Wie der junge Herr befiehlt.«
Klara hängte beide Daumen in Leanders Gürtel ein und trat mit wiegenden Schritten auf die Straße. Die schmierige Filzmütze in die Stirn geschoben, marschierte sie auf das Tiergärtnertor zu.Noch hatte sie keine weitere Botschaft von Mutter Sophia erhalten, aber sie spürte, dass es nicht mehr lange dauern würde.
Wie der junge Herr befiehlt, wiederholte sie im Stillen und hätte beinahe vor Zufriedenheit mit sich selbst gelächelt.
Weitere Kostenlose Bücher