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OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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können, ehe ihre Kräfte auch schon wieder erschöpft waren. Aber das hieß doch hoffentlich nicht, dass die Äbtissin bereits in den Himmel aufzufahren gedachte, obwohl dort der Heilige Geist ja zu Hause war? Denn dann hätte sie Klara doch nicht ermahnt, rasch zu ihr zu kommen, ehe die Häscher sie selbst oder Mutter Sophia erwischen konnten – also hatte sie bestimmt das Heilig-Geist-Spital gemeint, das sich unten entlang der Pegnitz erstreckte und zusätzlich den Fluss mit einem gewaltigen Brückenhaus überwölbte.
    Wenn sie auf dieser Straße immer weiter talwärts ginge, würde sie sogar geradewegs zum Heilig-Geist-Spital gelangen. Aber sie konnte doch nicht einfach so am Inquisitionsgebäude vorbeispazieren, und dann auch noch an der Hand dieses krakeelenden Säufers, der jetzt zu allem Überfluss mit heiserer Stimme zu singen begann! »Angestaubt sind alle Bücher – nur der Bierkrug macht uns klüger«, grölte der Mann und zerrte sie immer weiterauf das Dominikanerhaus zu. »Das Bier schafft uns Genuss – die Bücher nur Verdruss!«
    Den Tränen nahe, versuchte sich Klara aus seinem Griff herauszuwinden. Aber er war einfach zu stark für sie, und vor allem durfte sie ja kein Aufsehen erregen – gerade jetzt nicht, da sie beinahe schon auf einer Höhe mit dem Inquisitionshaus waren! Wie argwöhnische Augen, so waren ihr die schmalen Fensterscharten in der düsteren Fassade schon immer vorgekommen. Das riesenhafte Portal dagegen ähnelte dem Maul eines Ungeheuers, das jederzeit aufschnappen konnte, um alles zu verschlingen, was in seiner Reichweite herumkrauchte. Und jetzt ging da drüben auf der anderen Straßenseite tatsächlich einer der eisenbeschlagenen Türflügel auf und ein junger Mönch in der schwarzen Kutte der Dominikaner trat heraus.
    Auf der obersten Treppenstufe blieb er stehen und schaute aufmerksam auf die Straße hinab. Vielleicht hatte der durstige Mann ihn sogar mit seinen Gesängen hervorgelockt – jedenfalls sah der Mönch unverwandt zu ihnen beiden herüber und schüttelte dabei missbilligend den Kopf.
    »Halt’s Maul, Idiot«, zischte Klara ihrem Begleiter zu. Sie war mittlerweile so wütend, dass sie sich überhaupt nicht mehr verstellen musste, um grimmig auszusehen. »Oder willst du im Krähenkerker dein eigenes Blut saufen?«
    Der Mann verstummte so abrupt, als ob er einen Korken geschluckt hätte. Aus glasigen Schweinsäuglein, die von einem Netz zerplatzter Adern durchzogen waren, blinzelte er zu dem Inquisitionshaus hinüber und schaute dann seinen Begleiter erschrocken an. »Um Himmels willen!«, stieß er hervor.
    Der Schreck schien ihn mit einem Schlag ernüchtert zu haben. Er ließ Klaras Hand los und marschierte in geradezu soldatischer Haltung neben ihr her. »Wir dürfen uns nichts anmerken lassen. Gib dir den Anschein, als ob du mir achtsam zuhören würdest.« Seine Linke, die eben noch ihr Handgelenk umklammert hatte, malte ausdrucksvolle Gesten in die Morgenluft – so als ob er ihrenmorgendlichen Spaziergang nutzen wollte, um seinem jungen Gefährten einige nützliche Lebensregeln mit auf den Weg zu geben.
    Klara getraute sich nicht, auch nur in den Augenwinkeln zu dem Dominikanermönch zurückzuschielen. Noch immer glaubte sie, seinen nachdenklichen Blick auf dem Rücken zu spüren, dabei hatten sie das Inquisitionshaus mittlerweile weit hinter sich gelassen. Vielleicht war ihnen der junge Dominikaner ja gefolgt und schlich nun in geringer Entfernung hinter ihr her?
    Aber nein, sagte sie sich dann, das war wenig wahrscheinlich – eigentlich war ihre Maskerade durch das Gebaren ihres Begleiters doch nur glaubwürdiger geworden. Eine einsame Gestalt in schlotternden Hosen, die mal mädchenhaft lächelte, dann wieder sonderbar grinste und brummte, musste ja gerade in den Augen der Inquisitoren, die nach ihr und Amos Ausschau hielten, sehr viel verdächtiger erscheinen als zwei Saufkumpane, die frühmorgens singend nach Hause torkelten.
    Aber trotzdem hatte sie von dem durstigen Mann nun genug. Bevor er sie neuerlich am Handgelenk packen und mit sich zerren konnte, warf sich Klara nach rechts herum und rannte durch eine Seitengasse davon. Erst nachdem sie einige Dutzend Schritte gelaufen war, fiel ihr auf, dass es dieselbe Gasse war, durch die sie damals vor Amos weggelaufen war. Wie er sie angeschaut hatte, als sie vor ihm auf der Straße lag! So arglos und liebevoll besorgt. Augenblicklich hatte sie sich damals in ihn verliebt, und weil sie auch diesmal im

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