Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
Vom Netzwerk:
säße. »Sie heißt Klara Thal…« Er starrte den Mittelfinger des Unterzensors an, der bei »Tertio« wie ein halb toter Kobold aus der Faust hervorgekrochen war, und vergaß, weiterzureden. Dieser Finger sah einfach ungeheuerlich aus – so als ob jemand das mittlere Glied herausgesägt und die blutige Kuppe dann achtlos auf den Stumpf gedrückt hätte, damit diese beiden Überreste irgendwie miteinander verwuchsen.
    »Und quarto«, fuhr der Unterzensor fort, »Cellari ahnt natürlich erst recht nicht, wo sie das Satansbuch verborgen haben. Aber gerade hier werden wir ansetzen. Du begreifst doch, worauf ich hinauswill, Johannes?«
    »Ja, Herr.« Hannes nickte wie im Krampf.
    Oh ja, er begriff nur allzu gut, was der Unterzensor von ihm verlangte! Er sollte neuerlich verraten und jagen und zerstören, was ihm lieb und heilig war. Er sollte abermals zum Spürhund des Unterzensors werden, und damit auch neuerlich zum Zensor seiner eigenen Einbildungskraft, zum Inquisitor seiner Träume und seiner Liebe.
    Ein Teil von Hannes wehrte sich erbittert gegen diesen abermaligen Verrat, doch zugleich spürte er, wie dieser Teil von ihm bereits wieder schwächer wurde. Wie er selbst sich von diesem anderen Hannes zu entfernen begann. Wie er ihn abschätzig musterte, so wie seine Mutter damals den jungen Harmo angesehenhatte. Zugleich stiegen all jene Empfindungen aufs Neue in ihm auf, die nur Skythis in ihm zu erwecken vermochte. Bei Gott, so wie der Herr Unterzensor will auch ich sein, so unerschütterlich, so traum- und fühllos, sprach es in seinem Innern.
    Sogar seine Liebe zu Klara empfand Hannes mit einem Mal sehr viel weniger lebhaft. Hatte der Unterzensor nicht recht – und Klara war auch bloß eine Teufelsjüngerin, wenngleich eine betörend schöne? Wie eine Dämonin war sie in ihn gefahren – er war buchstäblich von ihr besessen gewesen! Mit seinem Mund und seiner Zunge hatte sie Bruder Meinolf angeschrien – ein solches haarsträubendes Kunststück konnte doch gar nichts anderes sein als Teufelswerk!
    Und doch, und doch, dachte Hannes dann wieder, er liebte Klara von ganzem Herzen – nein, von halbem Herzen, aber mit der besseren Hälfte seines entzweigespaltenen Herzens – mit der liebte er sie ganz und gar! Es war die gleiche Hälfte seiner selbst, die sich nichts glühender wünschte, als so wie jener Harmo zu werden – während die kalte andere Hälfte nichts auf der Welt tiefer verachtete als das höllische Gegaukel der Fantasie.
    Ungefähr dieser Wirrwarr aus fieberbunten Gedankenfetzen wirbelte in Hannes’ Kopf umher, während er neben Skythis in der ungemein großen Kutsche saß.
    »Du hast deine Seele mit dem Teufelsbuch vergiftet, Johannes«, knurrte der Unterzensor in seine Grübeleien hinein. »Und du weißt so gut wie ich, dass du deine Höllenstrafe nur noch auf eine einzige Weise verkürzen kannst – indem du mich jetzt geradewegs dorthin führst, wo die kleinen Bücherteufel sich selbst und vor allem das dämonische Machwerk versteckt halten.«
    Jedes einzelne dieser heiser hervorgestoßenen Worte bohrte sich Hannes wie ein rostiger Nagel ins Herz. »Verzeiht, Herr«, flüsterte er. »Ich will alles tun, was Ihr von mir verlangt.«
    Er schloss seine Augen und spähte in sich hinein. Doch sonderbar – wie angestrengt er in seinem Innern auch umherspürte, er konnte einfach nicht mehr sehen, wo sich
Das Buch
geradebefand. Vor Kurzem noch hatte er es wie eine rubinrote Höhle, wie eine köstliche Frucht, wie einen prangenden Blütenkelch vor sich leuchten sehen, sobald er die Augen geschlossen und sich auf das Geisterbuch konzentriert hatte. Diesmal aber … nichts. Oder jedenfalls nicht viel mehr als nichts.
    »Ich spüre, dass es in weiter Ferne sein muss – irgendwo dort«, murmelte er und deutete vage nach Nordwesten. »Aber es ist so schwach, so blass, Herr, wie niemals vorher – so als ob seine dämonischen Kräfte erlöschen wollten. Oder als ob es am Grund eines tiefen Brunnens läge, der überdies sorgsam zugemauert worden ist – ja, gerade so fühlt es sich an.«
    »Das reicht nicht, Johannes!« Der Unterzensor packte ihn bei den Schultern und schüttelte ihn wie ein Lumpenbündel hin und her. »So finden wir die Fährte niemals wieder. Streng dich an!« Er sah seinen Hilfsschreiber argwöhnisch an. »Du verbirgst mir doch etwas!«
    Hannes senkte den Kopf. »Ja, Herr. Da ist noch etwas.«
    »Und was ist da noch? Nun rede schon, Johannes«, stieß Skythis hervor. »Oder soll ich

Weitere Kostenlose Bücher