OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger
zu ahnen, wohin es unsere kleine Teufelin zieht.«
Kurz darauf war der Unterzensor eingeschlafen. Hannes aber brauchte noch geraume Zeit, bis es ihm gelang, in genau dem gleichen Rhythmus zu schluchzen, in dem der Unterzensor schnarchte. Dann schlief auch er zu Skythis’ Füßen ein.
8
E
rst am Abend
kam Klara wieder zu sich. Sie fühlte sich immer noch benommen und in ihrem Kopf pochte beharrlich der Schmerz. Eben hielt ihre Kutsche vor einem Haus, das gewaltig und einsam auf einem Hügel stand, umschlossen von dichtem Wald.
»Hier können wir unbesorgt nächtigen«, sagte Schwester Magdalena, während sie Klara ins Haus geleitete. »Niemand ist zu Hause, alles ist für uns bereit.«
Nur ein paar kümmerliche Lampen funzelten gegen die Düsternis im Innern des riesenhaften Anwesens an. Es musste das Landschloss eines Edelmannes sein, so kostbar kam Klara alles vor. Das Säulenportal, die große Eingangshalle, die mit altersschwarzen Gemälden und unzähligen Bärenfellen ausgestattet war. Die geschwungene Treppe im Hintergrund, auf der Klara von ihrer Begleiterin mehr getragen als geleitet werden musste, so wenig wollten ihre Beine ihr gehorchen. Oben ein scheinbar endloser Flur, die Wände mit kostbaren Stoffen bespannt, und dann endlich ein Bett – und was für eines. Ein Himmelbett von solchen Ausmaßen, dass ein Dutzend Personen bequem darin hätte nächtigen können. Ein goldener Brokathimmel spannte sich darüber, mit Jagdszenen verziert. Und auch in diesem Zimmer waren die Wände mit Stoffen bespannt, wie sie sonst Prinzessinnen als Tanzroben trugen. Zumindest kam es Klara so vor. Niemals vorher war sie in einem so kostbar ausgestatteten Haus gewesen.Wem auch immer dieser Waldpalast gehören mochte – er war offenbar unermesslich reich und besaß gewiss noch etliche weitere solcher Schlösser, im ganzen Land verstreut. Und er gehörte zweifellos dem Opus Spiritus an.
Klara machte sich nicht die Mühe, nach seinem Namen zu fragen. Oder nach ihrem – auch einer Edeldame konnte dieses Schlösschen in der fränkischen Wildnis ja gehören. Auch wenn das Opus Spiritus meist als Bruderschaft bezeichnet wurde, gehörten ihm ja auch edle und einflussreiche Frauen an. Mutter Sophia beispielsweise oder die ältere Nonne, die sich Mutter Maria nannte. Und die Klara gewiss nur irgendeinen rasch erfundenen Namen nennen würde, wenn Klara sie fragen würde, wer ihnen sein Haus für die Nacht überlassen hatte.
Aber im Moment war es ihr auch gleich. »Danke, Schwester Magdalena«, murmelte sie, nachdem die Nonne ihr geholfen hatte, sich im Himmelbett auszustrecken. Auf die Frage, ob sie noch etwas essen wollte, schüttelte sie bloß matt den Kopf. »Nur noch einen Becher Wasser für die Nacht«, bat sie.
»Mutter Maria will noch einmal nach dir sehen«, sagte die Frau lächelnd. »Sie wird dir einen Nachttrunk bringen und sie wird auch das Pflaster auf deiner Wunde erneuern.«
Klara versuchte, zurückzulächeln, doch selbst dafür fühlte sie sich zu matt. Unterwegs hatten die Nonnen sie mehrfach geweckt, damit sie ein wenig aß und vor allem von dem bitter schmeckenden Heiltee trank, den Mutter Maria ihr dann jedes Mal schluckweise einflößte.
Als die ältere Nonne kurz darauf an ihr Bett trat, war Klara schon fast wieder eingeschlafen.
»Schlaf ist die beste Arznei«, sagte Mutter Maria und streichelte ihr über die Stirn. »Du fieberst, meine Liebe, aber sei unbesorgt – morgen früh wirst du wieder leidlich bei Kräften sein.«
»Woher wisst Ihr das so genau?«, fragte Klara verwundert. Und noch sehr viel mehr staunte sie über die Antwort:
»Von deiner Mutter natürlich«, sagte die ältere Nonne. »Vera hat mir alles beigebracht, was ich über Krankheiten und Arzneien weiß.«
»Ihr kanntet meine Mutter?«, fragte Klara verwundert. »Und sie hat Euch sogar ihre Heilrezepte verraten? Dann muss sie Euch aber sehr vertraut haben.«
Mutter Maria setzte sich auf ein zierliches Sesselchen neben dem Bett. »Ich habe es immer als ganz besondere Auszeichnung empfunden, dass deine Mutter mich ihrer Freundschaft gewürdigt hat. Als ich sie zum ersten Mal traf, warst du vielleicht sechs oder sieben Jahre alt. Wo genau das war, tut nichts zur Sache – jedenfalls litt ich damals an einer Krankheit, von der selbst die berühmtesten Ärzte mich nicht heilen konnten. Sie hatten mich aufgegeben, und ich sollte nur noch wenige Monate leben. Da aber erfuhr ich eines Tages, dass die berühmte Heilfrau Vera Thalgruber
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