OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger
Uferschilfs die Kleidung, so rasch es gehen mochte. Jede Bewegung fiel ihr schwer und inihrem Kopf sauste der Schwindel umher. Der Schlag gegen ihren Hinterkopf war wohl doch ärger gewesen, als sie zuerst wahrhaben wollte.
In einem einfachen grauen Kittelgewand kehrte sie wenig später auf die Straße zurück. Die Nonnen drängten zur Eile, und vorn auf seinem Bock hatte der Kutscher bereits Zügel und Peitsche ergriffen, zur Abfahrt bereit. Rasch tätschelte Klara ihrer Füchsin noch den Hals und raunte ihr einen Willkommensgruß zu. Dann stieg sie zu den Nonnen in die geräumige Karosse und im nächsten Moment fuhr der Wagen an.
Die älteste der vier Kirchenfrauen mochte schon über vierzig sein, ihre Gefährtinnen waren gewiss zehn Jahre jünger. Ihre runden Gesichter, umrahmt von schwarzen Kutten und Schleiern, kamen Klara wie Monde in dunkler Nacht vor. So blass, so tröstlich und sanft. »Du glaubst gar nicht, wie erleichtert wir sind«, sagte die ältere Nonne zu ihr, »dass wir dich zu guter Letzt doch noch hier am Ufer gefunden haben. Bei lebendigem Leib und ohne ernstere Blessuren.«
»Und Ihr könnt Euch kaum vorstellen«, antwortete Klara, »wie dankbar ich Euch bin. Wie heißt Ihr – wie darf ich Euch und Eure Mitschwestern nennen?«
Die Nonnen wechselten Blicke. »Nenne mich einfach Mutter Maria, und hier neben mir, das ist Schwester … Magdalena. Dir zur Linken und zur Rechten sitzen – nun ja – die Schwestern Hildegard und Barbara.«
Klara lächelte ihnen allen zu. »Nochmals vielen Dank.« Die ältere Nonne hatte nicht ausdrücklich gesagt, dass es nicht ihre wahren Namen seien, aber Klara hatte auch so schon verstanden. Wahrscheinlich waren die vier Frauen nicht einmal wirkliche Augustinerinnen – zumindest konnte sie sich nicht erinnern, auch nur eine von ihnen jemals im Kloster Mariä Schiedung gesehen zu haben. Dabei waren sie doch angeblich ausgesandt worden, um ihrer früheren Äbtissin bei der Flucht vor dem Inquisitor beizustehen.
Aber Klara ließ es dabei bewenden. Was ich nicht weiß, kann ich auch unter der Folter nicht gestehen, hatte Bruder Egbert gesagt – und damit hatte er sicherlich recht. Vor allem aber fühlte sie sich so schwach und zerschlagen, dass sich das Innere der Kutsche mitsamt allen vier Nonnen vor ihren Augen zu drehen begann.
»Schlafe unbesorgt«, sagte die ältere Frau. »Wenn du dich ein wenig erholt hast, können wir über alles reden, was dir auf dem Herzen liegt.«
Klara fielen die Augen zu. Sie musste erst einmal wieder zu Kräften kommen, alles andere würde sich dann schon finden. So bekam sie nur eben noch mit, dass sie allem Anschein nach gen Norden fuhren – um Nürnberg herum und dort weiter auf der Landstraße in Richtung Erlangen und Bamberg. Und während sie noch überlegte, wohin die Nonnen eigentlich mit ihr fahren wollten, schlief Klara tief und fest ein.
7
I
n seinen Träumereien war Hanno
stets ein Held gewesen, der mit List und Mut die grässlichsten Bestien niederrang. Doch der heutige Hannes, der in der Kutsche neben Skythis auf der Sitzbank hockte, war bloß ein Bündel schlotternder Angst.
»Noch einmal kann ich dich nicht aus Cellaris Fängen retten«, hatte Skythis zu ihm gesagt, kaum dass sie aus dem Inquisitionsgebäude ins Freie getreten waren. »Schon diesmal musste ich meine äußersten Überredungskünste aufbieten – und du weißt, wie zuwider mir Zierreden sind.« Er hatte Hannes zu der Kutsche gezerrt, die auf dem Predigerplatz auf sie wartete. Von seinem Kutschbock aus hatte Gregor ihnen ausdruckslos entgegengesehen und sich dabei den vernarbten Krater gekratzt, der die Stelle seines rechten Ohrs eingenommen hatte.
Sie stiegen in die Kutsche und Skythis schlug die Tür zu und sah Hannes durchbohrend an. »Cellari hat alle Fährten verloren«,knurrte er, »und so blieb ihm gar keine andere Wahl, als dich noch einmal freizugeben.«
Er ballte seine Rechte zur Faust und ließ seinen schauerlich plumpen Daumen emporspringen. »Primo«, stieß Skythis hervor, »was immer es mit jenem Holzkerl auf sich haben mag – Cellari glaubt anscheinend selbst nicht mehr, dass er Kronus’ Geist aus dem Idol hervorzwingen kann. Sekundo« – der Zeigefinger schnappte hoch – »Cellari hat keine Ahnung, wohin sich der Kleine von Hohenstein verkrochen hat. Und tertio: Genauso wenig weiß er, wo er nach Klara Grubthaler suchen soll.«
»Thalgruber«, warf Hannes ein, mit einer Stimme, als ob Skythis’ Kampfaxt an seiner Kehle
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