OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger
alten Äbtissin durch Hintertürenins Spital geschleust und dort im Gedränge die falsche gegen die echte Mutter Sophia vertauscht. Während Mutter Maria und Schwester Magdalena mit Klara und der Äbtissin über den Fluss geflohen waren, hatten die Schwestern Hildegard und Barbara die falsche Mutter Sophia in den Krankensaal gebracht und waren dann eilends mit der Kutsche die Uferstraße neben der Pegnitz hinabgefahren.
»Allerdings hatten wir nicht vorausgesehen«, sagte die ältere Nonne, »dass Cellaris Soldaten eure Spur so schnell wiederfinden würden. Nachdem du mit Mutter Sophia gesprochen hattest, solltest du eigentlich mit dem Nachen ein Stück flussabwärts gebracht werden, von wo wir dich mit der Kutsche weiter nach Würzburg fahren wollten. Aber nun ja – mehr oder weniger ist es ja auch so gekommen. Von der Kutsche aus sahen wir dich reglos in der Pegnitz treiben und kamen gerade zurecht, als du von einer Welle ins Uferschilf gehoben wurdest. Und so sitzt du jetzt doch hier bei uns in der Kutsche, meine Liebe – obwohl Cellari alles darangesetzt hat, um unseren Plan zu vereiteln.« Sie schüttelte bekümmert den Kopf. »Der arme Joseph.«
»Ihr meint den Flößer?«, fragte Klara. »Den Mann, der mich in der Burgstraße angesprochen und so getan hat, als ob er auf der Suche nach einem Saufkumpan wäre?«
Mutter Maria nickte. »Wir waren in Sorge, dass sie dich erkennen und ergreifen würden. Du warst kein sehr glaubwürdiger Bursche, meine Liebe, trotz der Burschenhosen und dieser – entschuldige – schrecklichen Filzkappe.«
»Und die habe ich dann auch noch verloren.« Klara senkte bedrückt den Kopf. »Am Bootssteg unter dem Spital, nehme ich an – es ist ganz allein meine Schuld, dass sie uns so schnell wiedergefunden haben!« Sie verspürte ein Brennen in der Kehle. »Was ist mit Mutter Sophia – wie geht es ihr?«
Die ältere Nonne schloss kurz die Augen. Sie saß wieder Klara gegenüber, mit dem Rücken zum Kutscher, und als sie ihre Lider hob, schimmerten darunter Tränen. »Sophia ist tot«, sagte sie.»Sie war ohnehin schon sehr geschwächt – nach allem, was sie in den letzten Monaten erdulden musste.« Sie spähte an Klara vorbei durch das rückwärtige Kutschfenster, und Klara spürte aufs Neue, wie beunruhigt Mutter Maria war. Sie hatte behauptet, dass ihre Verfolger ihnen auf gar keinen Fall gefährlich werden könnten, aber ganz sicher schien sie sich ihrer Sache nicht zu sein.
»Mach dir um Himmels willen keine Vorwürfe, meine Liebe!«, fuhr Mutter Maria fort. Sie beugte sich vor und tätschelte Klaras Hände. »Cellari allein hat Sophia auf dem Gewissen und eines Tages wird er sich für seine Untaten verantworten müssen. Dich trifft keinerlei Schuld – früher oder später hätte er sie sowieso in ihrem Versteck entdeckt. Und Mutter Sophia hatte sich längst entschieden, nicht mehr vor ihren Verfolgern zu fliehen. Sie wollte nur unbedingt noch einmal mit dir sprechen, dir alles erklären – und das hat sie ja auch geschafft, oder?«
Klara nickte, doch so ganz war sie noch nicht mit sich selbst im Reinen. Armer Joseph, arme Mutter Sophia. Und ob die alte Äbtissin ihr wirklich alle Geheimnisse des Opus Spiritus aufgedeckt hatte? Auch davon war Klara keineswegs überzeugt. »Und ihr bringt mich jetzt nach Würzburg?«, fragte sie nach einigem Nachdenken. »Das heißt also – zu Abt Trithemius?«
Mutter Maria nickte. »Er wartet schon auf dich. Und wie du ja sicher weißt, ist Amos mit dem Buch schon gestern dort eingetroffen. Er ist wohlauf und in Sicherheit.«
Abermals verfielen sie alle in Schweigen. Das Rattern der Räder und die eintönigen Rufe des Kutschers lullten Klara ein. Sie spürte nun, wie geschwächt sie immer noch war. Trotzdem würde sie noch einmal versuchen, Amos eine Gedankenbotschaft zu schicken. Diesmal würde es ihr ja hoffentlich gelingen, ihrer beider magische Herzen miteinander zu verbinden, und dann würde sie von ihm auch erfahren, weshalb er letzte Nacht von ihrem inneren Himmel so plötzlich verschwunden schien.
Klara senkte ihre Lider und spähte in sich hinein. Doch Amos’ Gestirn konnte sie wiederum nicht entdecken. Ganz in der Näheihres eigenen Lichtquells blinkte ein schwächlicher kleiner Stern, aber sie achtete nicht darauf. Was um Himmels willen war mit Amos’ Stern passiert? Er hatte doch seine magischen Kräfte nicht etwa wieder verloren? Nein, das kam ihr alles andere als wahrscheinlich vor. Doch wie aufmerksam Klara ihren
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