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OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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ginge selbst über meine Kraft. Und seht nur, Jüngling, wie stark meine Arme sind.« Er winkelte einen Arm an und ließ Laurenz seine gewaltigen Muskeln sehen. Mit der anderen Hand hielt er seinen Stab in den Flussgrund gestemmt, damit die Strömung ihn nicht vor der Zeit mit sich riss. »Wie weit also?«, donnerte er Laurenz an.
    »Fünf Meilen!« – »Nein, sieben«, gurgelten die Crutsmare durcheinander. »Acht müssen es sein«, rief der dritte Gnom, »darunter geht es nicht!«
    Unschlüssig schaute Laurenz von einem Crutsmar zum nächsten. »Als unsere Feinde, die Wolfsäugigen, aus demWald kamen«, sagte er, »um Burg Answer zu besetzen und zu beschmutzen, da war ich siebzehn Jahre alt. Und dorthin soll ich also zurück? So zumindest verstehe ich euer Sinnbild von der Stille vor dem Schuss, zu der ich zurückkehren soll.«
    »Zurück, nur zurück«, bekräftigten die Crutsmare. »So ist es recht.« – »Aber weit genug – dorthin, wo die Waffe wahrlich schweigt.«
    Laurentius Answer schaute wieder zum Fährmann. Der hatte sein Floß unterdessen so nah ans Ufer herangeführt, dass Laurenz mit einem kühnen Sprung an Bord gehen könnte. »Also vier Meilen stromaufwärts?«, fragte er den Flößer. »Kannst du mich so weit bringen, guter Mann?«
    »Vier oder vierzig, ganz wie Ihr wollt«, donnerte der Zottige zurück.
    Doch davon wollten wieder die Crutsmare nichts wissen. Einträchtig schüttelten sie die grünen Köpfchen, dass der Schlick ihnen nur so um die Ohren flog. »Vier nur?«, gurgelten sie. »Zu wenig, viel zu wenig!«
    Laurentius Answer war nun allerdings mit seiner Geduld am Ende. Er sprang ins Uferschilf hinab, packte sich mit jeder Hand einen grünen Gnom und riss sie zu sich empor. »Wie viele Meilen?«, fragte er und sah vom einen zum anderen Crutsmar. »Raus mit der Sprache, sonst bekommt ihr mein Schwert zu schmecken!«
    Die beiden Winzlinge zappelten kläglich in seinen Händen, doch schon im nächsten Moment verzogen sich ihre Gesichtchen in gutmütigem Spott. »Oh, er ist schließlich ein Ritter!«, riefen sie einander zu. »Wenn er sich anders nicht zu helfen weiß, zieht er eben sein Schwert!«
    Laurentius Answer ging in die Hocke und setzte die beiden Crutsmare behutsam auf den Boden zurück. »Entschuldigt«, sagte er. »Das mit dem Schwert war nur so dahingesagt – ich könnte euch niemals etwas antun. Aber nun herausmit der Sprache, lasst mich nicht länger betteln: Wie viele Meilen muss ich stromaufwärts fahren?«
    Die beiden Crutsmare rieben sich die Hälse. »Horche in dich hinein«, gurgelte der eine. »Und stell dir recht lebhaft den Schuss vor, wie er sich aus der Waffe löst.«
    »Und schließe die Augen«, gurgelte der zweite Winzling. »Der Schuss kracht los – was siehst du?«
    Laurenz tat wie ihm geheißen. Er hörte den Schuss donnern und erblickte das Rehkitz, wie es auf der Lichtung bei ihrem Jagdkastell zusammenbrach. Einer seiner Hinterläufe war von der Kugel zerfetzt worden, und Gisa krampfte ihre Hand in Laurenz’ Schulter und fing an zu schreien. Er versuchte, seine Schwester vom Fenster wegzuziehen, damit sie nicht länger mit ansehen musste, wie das Rehkitz zuckend und zitternd dort unten lag. Aber sie riss sich von ihm los und rannte aus dem Zimmer, die Treppe hinab – –
    Laurentius öffnete die Augen. Wie lange hatte er nicht mehr an jene schreckliche Szene gedacht – Gisas Tränen, die Schüsse, das Bellen der Jagdhunde, die heiseren Rufe der Jäger, die das Wild vor sich hertrieben, tiefer ins Dickicht hinein.
    Mit genau diesem Schuss, sagte sich Laurenz, hatte alles begonnen. Dorthin musste er folglich zurück, denn wenn gerade diese Kugel sich niemals aus der Waffe gelöst hätte, wäre auch alles andere, was dann gefolgt war, nie geschehen. Oder würde niemals geschehen sein.
    »Ich war fünfzehn«, sagte er zu den Crutsmaren, »als die Kugel abgefeuert wurde. Es war ein Sommertag, gerade so wie heute.« Abermals wandte er sich an den Fährmann, der sich mit gespreizten Fingern seinen Bart strählte. »Sechs Meilen stromaufwärts – was kostet mich diese Fahrt?«
    Der Flößer sah ihn aus trüben Augen an. »Es sind keine Meilen, wie du sie kennst«, sagte er. »Auch mit jenenMeilen, die man hinter sich bringen muss, um zur Frau im Brunnen zu finden, lassen sich diese hier nicht vergleichen.«
    Laurentius runzelte die Stirn. Der gierige Fährmann von jenem Floß fiel ihm ein, der ihm seinen Rappen und den Messingschild abgelistet hatte. »Nenne

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