OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger
mir deinen Preis«, sagte er.
»Ich will keinen Gulden und keinen Heller von Euch haben«, sagte der Fährmann. »Auch Eure Stiefel und Euren Gürtel mögt Ihr getrost behalten.«
»Nenne mir deinen Preis«, wiederholte Laurenz.
»Gebt mir Euer Erbschwert, und ich fahre Euch so weit stromaufwärts, wie Ihr wollt und wie ich es vermag. Weigert Ihr Euch, so bin ich im selben Augenblick fort und Ihr seht mich nie mehr wieder.«
Das Blut wich Laurenz aus den Wangen. Ohne das Erbschwert der Edlen von Answer dürfte er dem Vater nie mehr unter die Augen treten. Doch schon im nächsten Moment wurde ihm leicht ums Herz – dahin würde es ja niemals kommen. »Du bringst mich doch dorthin zurück«, vergewisserte er sich, »wo sich jener Schuss noch nicht gelöst hat?«
Der Fährmann nickte schnaubend.
»Dann bin ich einverstanden«, sagte Laurenz. »Du sollst mein Schwert bekommen.« Er winkte den Crutsmaren zum Abschied zu und sprang auf das Floß hinab, das sich sogleich in Bewegung setzte.
Der Fährmann zog seinen Stab aus den Fluten empor und das klobige Gefährt wurde zur Flussmitte hin davongerissen. »Gib mir das Schwert!« Er streckte Laurenz seine Hand entgegen. Ein begehrliches Glitzern ließ seine trüben Augen noch unheimlicher aussehen. »Gib es mir!«, brüllte er.
Laurenz löste das Schwert von seinem Gürtel. Für einen Moment wurde ihm doch wieder schwer ums Herz. Was wäre denn, wenn er sich getäuscht hätte – oder wenn der Fährmann es nicht ehrlich mit ihm meinte und gar nichtimstande war, sechs Meilen weit stromaufwärts zu fahren? Aber nein, sagte sich Laurentius abermals, alles würde gut ausgehen. Und ohnehin blieb ihm keine andere Wahl.
Er reichte dem Flößer sein Schwert mitsamt der Scheide, auf der das Wappen der Edlen von Answer prangte – der dunkle Fels, aus dem der Turm hervorwuchs. »So ist es gut«, donnerte der Fährmann. »Und nun legt Euch aufs Floß – mit der Brust nach unten und dem Kopf voran. Haltet Euch nur gut fest. Ihr werdet Augen machen, Knabe.«
Ritter Laurenz wollte aufbrausen – wie kam der zottige Kerl dazu, ihn einen Knaben zu schimpfen! Aber er schluckte seine Zornworte wieder herunter und legte sich wie geheißen auf das schwankende Floß. Er selbst wünschte sich doch nichts sehnlicher, als wieder zu jenem Knaben von fünfzehn Jahren zu werden, der mit seinen Eltern und seiner Schwester Gisa friedlich und frei auf Burg Answer lebte.
Tief holte Laurentius noch einmal Luft. Die Fähre sank. Schon glitten sie auf dem Flussgrund dahin, geradewegs gegen die Strömung. Hinter ihm stieß der Fährmann schnaubend seinen Stecken in den Schlamm, aber Laurenz wandte sich nicht zu ihm um. Einige bange Augenblicke lang glaubte er, dass er ersticken müsste oder dass die Strömung ihn von dem Floß herunterreißen würde, doch nichts Arges geschah. Er öffnete seinen Mund und atmete Flusswasser ein. Schwärme kleiner Fische wimmelten um ihn herum und durch ihn hindurch. Kiesel tanzten, Krebse krabbelten und Wasserschlangen ringelten sich in der schlammtrüben Flut. Seine Augen hatte Laurenz so weit geöffnet wie sein Herz. Wasser, Fische, Kiesel – alles wimmelte und strömte und wirbelte und dies alles war er. Er, Laurenz Answer, war die Fische und er war das Wasser, er war die Steine und der Schlamm. Er hatte seine Gestalt nicht verloren, doch er war bloß noch ein Schatten, der Wasser, Schlamm und Gewimmel flüchtige Menschenform verlieh.
Als das Floß vom Flussgrund wieder aufstieg, wollte Laurenz zuerst gar nicht glauben, dass sie wirklich schon sechs Meilen stromaufwärts gefahren waren. Die Reise war ihm so schnell wie im Traum vergangen, und er verspürte ein leises Bedauern, wie er so tropfnass auf der Fähre dem Ufer entgegentrieb. Nun war er wieder ein Mensch aus Fleisch und Blut und würde niemals mehr schattengleich am Flussgrund dahinfliegen oder durch Ritzen und Spalte im Felsgestein gleiten. Das alles empfand und verstand er in einem einzigen Augenblick – dann nickte der Fährmann ihm zu und Laurenz sprang mit einem kühnen Satz zurück ans Ufer.
Er war wieder gerade dort, wo die unzähligen Crutsmare im Schilf gesessen hatten. Doch als sich Laurentius nach ihnen umschaute, war kein einziger grüner Winzling zu sehen. Auch sie würde er nie mehr zu Gesicht bekommen, so wenig wie den Fährmann mit der Sturmflutstimme. Noch einmal wandte sich Laurenz zum Fluss zurück, doch auch von dem klobigen Floß war nichts mehr zu sehen.
Die Sonne stand
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