OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger
geklettert ist und der Kutscher plötzlich abgesprungen ist und dieFrauen wenig später in Triumphgeschrei ausgebrochen sind. Obwohl hinter uns auf der Straße doch allem Anschein nach gerade ein schreckliches Unglück passiert ist – mit einer Kutsche, die genauso wie unsere aussah, gezogen von vier Pferden, die auf einmal ausbrachen. Die Kutsche wurde in den Main hinabgerissen und ging auf der Stelle unter«, hatte Klara gesagt und dazu breit gegrinst, als ob sie ihm einen Witz erzählt hätte.
»Das verstehe ich nicht«, hatte Amos erwidert. »Wo kam die zweite Kutsche denn auf einmal her?«
»Ich habe es auch nicht gleich begriffen: Sie hatten dort im Dickicht eine Kutsche versteckt, die genauso wie unsere aussah, nur dass anstelle wirklicher Pferde vier hölzerne Rösser davorgespannt waren. Kindischer Spielkram«, hatte sie prustend hinzugefügt, »von mechanischem Federwerk angetriebene Riesenspielzeugpferde, und die ließ der Kutscher im richtigen Moment über die Straße traben und stürzte sich mitsamt der Kutsche und den Spielzeugrössern in den Fluss. Daraufhin hörten die Bücherjäger auf, hinter uns herzuhetzen, weil sie ja glaubten, dass sie uns alle zur Strecke gebracht hätten – bis auf unseren Kutscher, der auf dem Bock gesessen hatte und nur deshalb nicht mit ertrunken sei. Und dann hat Mutter Maria mir noch gezeigt, wie ich mein magisches Herz unsichtbar machen sollte, damit Johannes glauben würde, dass ich in der Kutsche mit umgekommen wäre. Das geht nämlich so – du stellst dir einfach so lebhaft wie möglich vor, dass eine schwarze Wolke dein magisches Herz einhüllt und undurchdringlich umschließt Aber was siehst du mich denn schon wieder so eigenartig an?«, hatte Klara gefragt, obwohl sie selber mindestens genauso kribbelig dreingeschaut hatte. Mit funkelnden Pünktchen in ihren Augen, die wie immer, wenn sie aufgeregt war, ganz dunkel geworden waren.
Dann hatten sie einander erst einmal wieder umarmt und liebkost und Amos hätte ihr nur allzu gern köstliche Liebesverse ins Ohr geflüstert. Aber ihm war kein einziger romantischer Reim eingefallen, und so hatte er sich damit begnügt, sie zu küssen undsich von ihr wiederküssen zu lassen, bis sie beide vollkommen außer Atem waren.
Die Sache mit der zweiten Kutsche und den mechanischen Pferden wundert mich eigentlich gar nicht , hatte er irgendwann später gesagt – in Gedankensprache, weil man dabei ruhig außer Atem sein konnte und weil die Mönche vor ihrer Tür nichts mitbekommen sollten.
Diesmal war es Klara gewesen, die nicht gleich zu begreifen schien. Wenn du dieses verrückte Riesenspielzeug gesehen hättest , wandte sie ein – du hättest bestimmt auch ganz schön gestaunt .
Na klar, gestaunt hätte ich schon , hatte Amos eingeräumt und zur gleichen Zeit gespürt, dass er schon wieder anfing, Klara eigentümlich anzusehen. Aber er hatte sich gezwungen, seine Blicke in Zaum zu halten – es wurde höchste Zeit, dass sie anfing, die Geschichte
Vom Fährmann, der stromaufwärts fuhr
zu lesen.
Er hatte nur rasch noch versucht, ihr zu erklären, was er meinte. Kronus wollte
Das Buch der Geister
erschaffen und drucken lassen, weil er wirklich davon überzeugt war, etwas Gutes und Richtiges zu tun. Und bestimmt trifft das auch auf Mutter Sophia und viele andere aus dem Opus Spiritus zu. Wahrscheinlich , hatte er nach kurzem Überlegen hinzugefügt, gilt das umgekehrt auch für Jan Skythis und seine Bücherjäger: Sie glauben wirklich, dass
Das Buch
ein Werk des Satans sei und deshalb vernichtet werden müsse – so wie auch Bruder Paulus wahrscheinlich alle Schriftstücke außer der Bibel am liebsten zerstört hätte.
Er hatte auf die verschandelten Buchstaben und verheerten Wörter an den Wänden und auf dem Tisch vor ihnen gedeutet und Klara rasch erklärt, was es damit auf sich hatte. Aber Trithemius geht es um etwas ganz anderes , hatte er dann seinen Gedanken weiter ausgesponnen . Für ihn ist das alles hier ein Spiel, das er unbedingt gewinnen will – und wir sind bloß seine Spielfiguren, die er hin und her schiebt, wie es ihm gerade passt. Glaub mir, Klara: Ob
Das Buch
letzten Endes gedruckt und verbreitet wird oder nicht, spielt für Trithemius keine Rolle, das spüre ich ganz genau. Ihm gehtes überhaupt nicht darum, dass möglichst viele Leute gute und heilsame magische Kräfte in sich erwecken – er hat etwas ganz anderes vor. Und dafür braucht er uns.
Klara hatte ihn nachdenklich angeschaut. Ich
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