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OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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und über mit Schriftzeichen bedeckt war. Wohl aus diesem Grund war Amos auch bisher der Spalt verborgen geblieben, der die Kuppel in zwei genau gleich große Hälften teilte. Zu beiden Seiten des Spalts war eine Art Hebel angebracht, und auch diese Hebel waren so geschickt mit den Schriftzeichen übermalt worden, dass man sie zumindest vom Boden aus kaum wahrnehmen konnte. Jeder Hebel war mit einem Loch versehen, und die Mönche stießen das spitze Ende ihres Balkens nacheinander in diese beiden Aussparungen und schwenkten die Hebel im rechten Winkel herum.
    Noch während sie wieder vom Tisch herunterkletterten, begann sich die Kuppel wie von Geisterhand zu öffnen. Leise quietschend schwangen die Hälften des Dachgewölbes auseinander. Es sah aus, als ob ein sehr großer Käfer seine Flügel ganz langsam entfalten würde. Irgendwo im Gemäuer hörte Amos einen Kettenzug klappern und wimmern – nicht Geisterkraft bewirktealso dieses Wunder, sondern ein sinnreich erdachtes Hebel- und Federwerk.
    Eindrucksvoll anzusehen war es gleichwohl, wie die Kuppel voll verschandelter Buchstaben und verheerter Wörter über ihnen allmählich verschwand und an ihrer Stelle der Abendhimmel erschien. Die Nacht war noch nicht gänzlich hereingebrochen, doch der Himmel hatte schon das dunkle Grau geschmolzenen Bleis angenommen und war mit unzähligen Sternen übersät.
    »Ihr spracht von einer Reise, Herr«, begann Amos, doch der Abt schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab.
    Gleich sind wir unter uns – dann sollt ihr alles erfahren.
    In Sponheim, als Trithemius aus der brennenden Bibliothek geflohen war, hatte Amos schon einmal seine Gedankenstimme vernommen. Sie klang sogar noch unangenehmer als seine natürliche Stimme – ein Kratzen und Rascheln, bei dem man vom bloßen Zuhören eine Gänsehaut bekam.
    Rasch sah Amos zu Klara. Sie war unter dem Klang von Trithemius’ Gedankenstimme zusammengefahren und überhaupt sah sie ziemlich mitgenommen aus. Kein Wunder, dachte Amos – in den letzten Tagen hatte die arme Klara so einiges mitmachen müssen. Überdies war sie gerade erst aus Laurentius’ Welt zurückgekehrt, als Trithemius wieder bei ihnen erschienen war. Amos hatte sie eben noch fragen können, was sie glaube, welche magische Gabe durch die vierte Geschichte wachgerufen werde.
    Na ja, hatte Klara geantwortet, ich schätze, jetzt können wir auch in andere Zeiten reisen – und gerade da war die Tür aufgegangen und Trithemius war eingetreten.
    In andere Zeiten reisen, dachte Amos nun, während der Abt sie mehr mit Gesten als mit Worten anwies, noch weiter von dem Tisch zurückzutreten. Das hatte er sich natürlich auch schon so zurechtgelegt, aber einen Sinn ergab das Ganze in seinen Augen nach wie vor nicht. Was konnte sich Trithemius denn davon versprechen,wenn Amos und Klara auf magische Weise an irgendeinen Ort in fernster Vergangenheit reisten? Auf eine solche Reise hatte Faust ihn selbst ja schon einmal geschickt, damals in der Bamberger Bischofsburg – einen magischen Flug in uranfänglichste Vorzeit, als die ganze Erde eine einzige Wildnis voller Fratzen und Schrecken gewesen war. Bis heute verspürte Amos nur kaltes Entsetzen, wenn er daran zurückdachte.
    Aber wenn Faust sie doch sowieso auf eine solche Reise schicken konnte, überlegte er weiter – warum sollte Trithemius dann so begierig darauf sein, dass Klara und er selbst nun aus eigener magischer Kraft noch einmal in jene Vergangenheit reisten? So oder so konnte sich Faust doch sicherlich sehr viel geschickter als sie durch Raum und Zeit bewegen – wozu also brauchte Trithemius zwei Novizen, die er stattdessen in die Vergangenheit zurückschicken konnte? Vielleicht lag es ja daran, dass der Abt Faust nicht über den Weg traute? Das war allerdings möglich, sagte sich Amos – aber aus welchen Gründen sollte er ihnen beiden mehr trauen als seinem »Ziehsohn« Faust?
    Unterdessen hatten die beiden Mönche den Holzbalken auf dem Boden neben der Steinbank abgelegt und machten sich nun am Tisch zu schaffen. Einer von ihnen war halb unter den Tisch gekrochen, der andere stand über die Bank gebeugt und hielt den Rand der gewaltigen hölzernen Platte mit beiden Händen umklammert.
    Abermals erklang metallisches Knirschen und Reiben, wie wenn Eisenhebel umgelegt würden. Der eine Mönch kroch unter der Tischplatte herum und öffnete dort allem Anschein nach einen Riegel nach dem anderen. Schließlich ächzte er »Finis!«, und im selben Moment begann

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