OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger
links und rechts bei ihnen ein. »Aber nun genug der Vorreden – alles Nötige ist gesagt. Die Entscheidung liegt nun bei euch.«
Er wollte sie mit sich ziehen, zurück zu dem hohlen Eichbaum. Doch Klara sträubte sich und so blieben sie auf halbem Weg noch einmal stehen.
»Wartet noch, Herr.« Sie machte sich von ihm los und wich zu der Wandzeichnung hin zurück, die den Wanderer unter seiner unsichtbaren Schutzglocke darstellte. »Ihr sagtet vorhin auch, dass die Geister selbst uns auserwählt hätten. Aber wart denn nicht Ihr es, Ihr und die anderen ›Priester‹ in Eurem Geheimbund, die Amos’ und meine Eltern umbringen ließen, weil die mit dieser Auswahl nicht einverstanden waren?« Ihre Augen schimmerten mit einem Mal vor Tränen, aber sie schniefte nur leise und wischte sich über ihr Gesicht. »Erklärt uns, was damals wirklich passiert ist«, fuhr sie fort und die Stimme drohte ihr nun vollends zu versagen.
Der Abt machte einen raschen Schritt zu dem hohlen Baum hin und lauschte nach oben. Es fiel ihm ersichtlich schwer, seine Ungeduld noch länger zu bezähmen. Doch er rang sie abermals nieder und jenes versonnene Lächeln kehrte in sein Antlitz zurück. »Es waren schreckliche Unglücksfälle«, sagte er. »Niemand von uns hat jemals gewollt, dass irgendwer zu Schaden oder gar ums Leben kommen würde. Glaubt ihr mir? Aber ihr braucht mir nicht zu glauben – schließlich seid ihr die Auserwählten«, sagte er und sein Lächeln wurde erneut zum Strahlen. »Ihr besitzt die Gabe des magischen Flugs durch Raum und Zeit. Warum fliegt ihr nicht einfach dorthin und schaut nach, was damals wirklichpassiert ist? Ihr wäret handkehrum zurück, von allen Zweifeln ein für allemal befreit.«
Amos schaute rasch zu Klara. Ihre Augen waren weit vor Angst und wie bei einem Zitterkrampf schüttelte sie ihren Kopf hin und her. Das kann ich nicht, Amos. Ihre Gedankenstimme klang kläglich, wie bei einem verängstigten Kind. Ich kann und ich will nicht zurück – dorthin, wo ich im Graben erwacht bin, und unweit am Straßenrand stand unser Wagen und brannte, und meine … Sie brach ab, ohne ihren Satz zu beenden. Ich kann nicht , wiederholte sie.
Das brauchst du auch nicht . Amos fühlte sich mindestens so überrumpelt wie sie. Natürlich hatte er auch schon daran gedacht, dass er ja auf magischem Weg dorthin zurückkehren könnte – in jene schreckliche Nacht vor drei Jahren, als Höttsche und seine Kumpane ihr Haus überfallen, seine Eltern getötet und alles niedergebrannt hatten. Aber bisher war er immer davor zurückgeschreckt – schon der Gedanke, all jene Schrecknisse noch einmal durchleben zu müssen, ließ seine Kehle eng werden.
Und doch hatte Trithemius recht, sagte sich Amos jetzt – sie mussten endlich Klarheit bekommen. Nur zu gern würde er ja glauben, dass der Abt und die anderen »Priester« aus dem Opus Spiritus mit dem Tod seiner Eltern nichts zu tun hatten. Aber es klang alles andere als wahrscheinlich – schließlich hatte er selbst doch jene schreckliche Nacht miterlebt, wenn auch verborgen in dem steinernen Kasten. Er hatte die Schreie gehört, das Klirren der Waffen, dann das Prasseln und Fauchen der Flammen. Allerdings hatte er nicht mit seinen eigenen Augen gesehen, was damals wirklich passiert war. Aber was sollten das denn für eigenartige Unglücksfälle sein, denen erst Klaras und dann seine Eltern zum Opfer gefallen waren – ohne Zutun der Männer, die zur gleichen Zeit sein Vaterhaus und den Wagen der Thalgrubers überfallen hatten? Das hörte sich so unwahrscheinlich an, dass es eigentlich gar keine Lüge sein konnte. Aber was sonst?
Amos ging zu Klara hinüber und nahm sie zärtlich in den Arm. Er hat recht , sagte er in Gedankensprache, damit wir sicher seinkönnen, dass sie nichts mit dem Tod unserer Eltern zu tun haben, müssen wir selbst dorthin zurück. Aber du brauchst nicht mitzukommen, Klara. Ich fliege allein – zu meinem Vaterhaus, in jene Brandnacht.
Klara lächelte ihn an. In ihren Augen schimmerten immer noch Tränen. In jene grauenvolle Nacht, als meine Eltern verbrannt sind, kann ich nicht zurück – jedenfalls noch nicht. Ich würde es nicht ertragen. Aber wenn du es schon auf dich nimmst, in deine Schreckensnacht zurückzukehren, mein Auserwählter, dann will ich zumindest dorthin mit dir gehen.
Sie umarmten sich und Amos küsste eine warme, salzig schmeckende Träne aus Klaras Augenwinkel.
Dann also los – die Zeit wird knapp. Trithemius’ kratzige
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