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OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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illuminiert.« Er deutete auf die vielerlei Fackeln und in Bodenlöchern flackernden Feuer, die das Felsgelass erhellten. »Gerade so«, fuhr er fort, »verhält es sich auch mit jenen Auserwählten, die von der Macht und Weisheit der Geister erleuchtet worden sind. Nur sie können unfehlbar erspüren, welche magischen Zeichen jeweils den stärksten Zauberbewirken. Denn die Zeichen bedeuten und bewirken keineswegs jedes Mal das Gleiche – sie schillern wie Schlangenhaut und sind vieldeutiger als Dichterverse. Doch mit dem Beistand der Geister finden die auserwählten Priester immer die wirksamste Magie, die jede Gefahr abwendet, jeden Gegenzauber bricht. Und aus diesem Grund ist auch niemand mächtiger als sie.«
    Klara und Amos schauten sich neuerlich an. Sie waren nun beide ziemlich durcheinander. Doch mehr und mehr wurde Amos von einer gewaltigen Aufregung ergriffen, und er spürte, dass es Klara genauso erging. Der Gedanke, dass sie beide so mächtige Schriftmagier wie die Zauberpriester auf diesem Gemälde werden könnten, war schwindelerregend.
    »Aber wenn jene Geister so mächtig sind, wie Ihr es sagt, Herr«, wandte Klara ein, »wozu haben sie unsere Vorfahren in früheren Zeiten gebraucht – und wozu brauchen sie jetzt Amos und mich? Sie könnten ja einfach irgendwelche anderen Menschen ›erleuchten‹ – so habt Ihr es doch genannt?«
    Trithemius schenkte ihr ein gütiges Lächeln. »Sie sind bereits in euch«, sagte er. »In dir genauso wie in Amos. Seit unzähligen Generationen werden ihre magischen Kräfte in euren Sippen weitergegeben, von den Eltern auf die Kinder und von diesen wieder auf deren Nachkommen. Aber diese magischen Kräfte sind nur die vielerlei Lichter, die in eurem Innern darauf warten, angezündet zu werden. Und die Illuminierung kann eben nur auf eine einzige Weise stattfinden – durch ein magisches Schriftritual, mit dem die bereits erleuchteten Zauberpriester die Geisterkraft in ihren ebenbildlichen Nachfahren erwecken.«
    Amos hatte seine Hände zu Fäusten geballt, fast ohne es zu bemerken. Vor Aufregung konnte er kaum noch einen klaren Gedanken fassen. Er musste sich bezähmen, um nicht gellende Jubelschreie auszustoßen oder Klara bei den Händen zu packen und mit ihr durch diesen Heidentempel zu tanzen. Sie beide waren auserwählt, um mächtige Schriftmagier zu werden! In diesem Moment erschien es ihm wie ein gerechter Lohn für all dieMühen und Gefahren, die sie auf sich genommen hatten. »Bei allen guten Geistern«, sagte er zu Trithemius, »jetzt verstehe ich, worauf das Ganze hinauslaufen soll: Klara und ich sollen im magischen Flug nach Rogár zurückkehren – in das Jahr 1089, kurz bevor die Kirchenkrieger dort alle Priester und Wächter umgebracht haben. Habe ich recht, Herr?«
    Trithemius nickte mit versonnenem Lächeln.
    »Und anstelle der beiden jungen Wächter, die mir und Amos so ähnlich sahen«, ergänzte Klara ebenso eifrig, »sollen nun wir von den obersten Zauberpriestern dort durch das Schriftritual illuminiert werden – deshalb, Herr, wurden wir doch auserwählt?«
    Der Abt nickte noch nachdrücklicher und sein Lächeln wurde zum Strahlen. »Ich wusste, dass ihr es von euch aus verstehen würdet – und dass ihr vor Begeisterung außer euch sein würdet. Aber hört mich erst noch einen Augenblick lang weiter an. In eurer beider Sippen hat es auch damals schon vereinzelte Abkömmlinge gegeben, die ihr Leben aus diesen oder jenen Gründen nicht in Rogár verbringen wollten. Sie verließen den heiligen Hain, ohne jemals durch jenes Schriftritual erleuchtet worden zu sein. Einige von ihnen nahmen den neuen Glauben an und wurden sesshafte Christen, andere zogen als fahrende Leute durchs Land. Und ihr werdet es längst erraten haben: Aus diesen Abkömmlingen der alten Magiersippen gingen eure Familien hervor, die Thalgrubers und die Edlen von Hohenstein.«
    Er nickte erst Klara, dann Amos feierlich zu – es sah beinahe wie eine Verbeugung aus. Schauer der Erregung rieselten ihnen beiden den Rücken hinab. Endlich wurden alle Schleier vor ihnen gelüftet – und was darunter zum Vorschein kam, war noch hundertmal großartiger, als sie es sich jemals erträumt hatten.
    »Seit Bischof Ottos Ordensritter die letzten Priester von Rogár niedergemetzelt haben«, fuhr Trithemius fort, »lebt allein in deren Abkömmlingen noch die Kraft der Geister weiter – in euch beiden, meine lieben Auserwählten. Sie schlummert in euch, undsie wartet seit mehr als

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