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OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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verdächtigt, am Tod ihrer Eltern schuldig zu sein.
    »Lasst uns kein Wort mehr darüber verlieren.« Trithemius zeigte ihnen wieder sein versonnenes Lächeln, das Amos so sehr an Kronus erinnerte. »Wie schon gesagt: Es wird nun allerhöchste Zeit, dass ihr nach Rogár reist. Wenn ihr nicht rechtzeitig zurück seid, um dieses Kloster mit einem unüberwindlichen Abwehrzauber zu schützen, lässt Cellari uns alle ins Feuer binden – und er wird bestimmt nicht warten, bis ein zufälliger Windstoß oder Blitzschlag den Scheiterhaufen entfacht.«
    Eindringlich schaute er erst Amos, dann Klara an. »Damit ihr die ungeheure Macht und Verantwortung ermessen könnt, die einst auf den Schultern eurer ebenbildlichen Ahnen lagen, werdet ihr nun nach Rogár reisen, wie es vor etwa tausend Jahren war. Und von dort weiter ins Jahr 1089 A.D. – kurz bevor der heilige Hain von den Ordensrittern zerstört wurde.«
    Der Abt erklärte ihnen, was genau sie sich vorstellen sollten, damit sie auch zum richtigen Zeitpunkt in Rogár eintreffen würden. Abermals ließen sich Amos und Klara auf das Strohlager zurücksinken. In ihrer Fantasie malten sie sich alles so aus, wie es ihnen Trithemius geschildert hatte.
    »Seht ihr es vor euch?«, fragte er. »Den Seehügel, der heute Heidenkuppe heißt, darauf den Tempel mit den drei magischen Zeichen, die gerade zu jener Zeit dort eingemeißelt wurden?«
    Sie nickten ihm im Liegen zu. »Fasst euch nun bei den Händen und schließt eure Augen«, sagte der Abt. »Wenn ihr wieder hierherkommt, werdet ihr mächtige Magier sein – und niemals mehr werden die Ketzer- und Bücherjäger euch wie wehrloses Wild durch die Wälder hetzen können. Gute Reise – und kehrt bald zurück!«



1
    A
uf dem weiten Platz
vor dem Tempelbau drängten sich die Menschen in bunter Schar. Jung und Alt, Männer und Frauen, Etliche in kostbaren Gewändern, andere bloß in löchrigen Lumpen. Doch niemand war mit leeren Händen gekommen, und in Wagen und Rückentragen lagen die eigentümlichsten Gegenstände aufgehäuft. Hier war ein Karren mit Holzbalken und Kochgeschirr beladen, dort hinten kam ein Erntewagen voller Sensen, Sicheln und Pflugscharen herbeigeschwankt. Kranke und Verletzte wurden auf Bahren herangeschleppt oder humpelten mühevoll auf Stöcken herbei. Junge Paare liefen Arm in Arm umher und erklärten jedem, der zufällig in ihre Richtung schaute, dass sie gekommen seien, um die Geister um Fruchtbarkeit anzuflehen. Ob ihre Bitte erhört würde, schien keineswegs sicher zu sein, aber die jungen Paare erklärten mit wonnigem Lächeln, sie hätten vielerlei Gaben mitgebracht, um die Geister günstig zu stimmen. Säcke voll Getreide, kostbare Lederhäute oder sogar ein paar Krumen Gold, von den Vorfahren geerbt oder mit eigener Hand aus dem Berg gegraben.
    Amos und Klara schwebten in der Menge umher, schauten sich staunend um, verweilten hier und da, um einem Wortwechsel zu lauschen. Die Leute unterhielten sich in den unterschiedlichsten Sprachen oder Dialekten, doch Klara und Amos verstanden alles mühelos. Es hatte doch entschieden seine Vorteile, als Geister umherzureisen! Überdies litt man weder Hunger noch Durst, und obwohl die Mittagssonne vom blauen Himmel brannte, machte ihnen auch die Hitze nicht weiter zu schaffen.
    Ihre ebenbildlichen Ahnen befanden sich allem Anschein nach in dem mächtigen Tempelbau am oberen Ende des ovalen Platzes. Das schlossen Amos und Klara jedenfalls aus Gesprächsfetzen, die sie im Vorüberschweben aufgeschnappt hatten. Bisher hatten sie es nicht gewagt, sich dem Tempel auf weniger als zehn Schritte zu nähern. Zuerst einmal wollten sie sich einen ungefähren Überblick verschaffen.
    Auf dem Platz mochten wenigstens zweihundert Leute versammelt sein. Die meisten von ihnen schlenderten schwatzend umher oder saßen träge im Schatten eines Baums. Zuweilen aber, in unvorhersehbarer Reihenfolge, schien ein von außen unhörbarer Ruf an einen oder einige von ihnen zu ergehen. Die Betreffenden rissen die Augen auf, erstarrten in der Haltung, die sie zufällig gerade innehatten, und schienen angestrengt nach innen zu lauschen. Dann erhoben sie sich mit benommener Miene und schritten oder, besser gesagt, taumelten auf das Tempelportal zu. Ihre Diener oder Angehörigen – je nachdem, wie es um ihre Verhältnisse bestellt war – folgten ihnen mit Karren oder Hucken voll der Gaben, die für die Geister und Priester bestimmt waren. Außerdem natürlich mit den Gegenständen, die

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