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OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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schaufelten Kohlebrocken in den Bodenspalt hinab. Die Felsrinne wies ein starkes Gefälle auf, und dadurch entstand der Eindruck eines sich langsam fortwälzenden Lavastroms.
    Als die Wächter ihren obersten Priester und Schriftmagier bemerkten, legten sie ihre Schaufeln zur Seite und verneigten sich, wobei sie die Hände vor der Brust aufeinanderlegten.
    Der Priester nickte ihnen zu. »Opfert den Geistern nur emsig weiter«, befahl er ihnen und deutete auf den Kohlehaufen neben dem Felsspalt.
    Wie eigenartig, dachte Amos – der Priester und die Wächter schienen gar nicht zu bemerken, dass sie mit der »Geisterpforte« eigentlich einen künstlichen Theaterdonner veranstalteten: Die Wächter sorgten dafür, dass das Feuer nicht ausging, und der Priester und die Priesterin warfen irgendwelche Pulver in die Glut hinab, woraufhin es dort unten donnerte und knallte und Blitze im Tempel umherzuckten. Aber sie selbst schienen so wenig wie ihre Anhänger zu bemerken, dass sie auf diese Weise den Geistern nicht einfach nur Opfer brachten, sondern die geisterhaften Erscheinungen überhaupt erst hervorriefen. Amos hatte Kronus oftmals über christliche Priester spotten gehört, die unweigerlich von »Höllenspuk« schwadronierten, wenn es im Labor einesAlchimisten einmal krachte und blitzte wie bei einem heftigen Gewitter. Was würde Kronus aber zu diesen alten Heidenpriestern sagen? Im Grunde stellten sie ja auch alchimistische Experimente an – sie warfen Schwefel oder sonstige Pulver in die Glut hinab, ließen Dämpfe und Blitze aufsteigen. Aber nach ihrer Anschauung waren sie nur Diener der Geister, die dort unten in dem Felsspalt hausten und mit Blitz und Donner antworteten, wenn ihnen die »geopferten« Pulver behagten.
    So grübelte Amos vor sich hin und währenddessen folgten er und Klara seinem ebenbildlichen Ahn weiter den Berg hinauf. Eine breite Allee führte in den Buchenhain hinein und schon nach wenigen Schritten war alles um sie herum in leuchtendes Grün getaucht.
    Wie dürfen wir Euch ansprechen?, fragte Klara den Priester, der ihnen stumm voraneilte, so als ob alles Nötige zwischen ihnen gesagt worden wäre.
    Er sah sie über die Schulter an, ohne auch nur seinen Schritt zu verlangsamen. »Früher einmal hieß ich Hoskan«, sagte er. »Aber das ist lange her. Nennt uns einfach ›Herr‹ und ›Herrin‹, wie jeder in Rogár.«
    Hoskan war ebenso wunderlich gekleidet wie Klaras ebenbildliche Ahnin – mit einem bunten Flickengewand, das aus Fuchsund Luchsfellen, Bärenpelz und Falkengefieder zusammengezwirnt schien. Auf dem Kopf trug er einen jener schwarzen Hüte mit breiter Krempe, die jeder aufsetzen musste, der das Innerste des heiligen Hains betreten wollte.
    Amos beeilte sich, zu Hoskan aufzuschließen. Seht mir meine Neugierde nach, Herr , begann er. Es war sonderbar, jemanden so förmlich anzusprechen, der mehr oder weniger wie man selbst aussah. Was hat es mit der Raubvogelkralle auf sich – dem G in Eurer Schrift? Welche magischen Kräfte vermag dieses Zeichen zu erwecken oder zu stärken?
    Die Lippen des Priesters wurden schmal wie ein Strich. Amos schwebte noch eine Weile neben ihm her, aber er spürte, dass Hoskanseine Frage nicht beantworten würde. »Das geht dich nichts an«, hatte einer der Wächter vorhin auch den jungen Bräutigam angeblafft, als der sich erkundigt hatte, was es mit den Zeichen auf der Tempelfassade auf sich habe.
    Aber hieß das nun, dass die Priester von Rogár ihr Wissen geheim hielten – oder wussten sie selbst nicht, welche magischen Kräfte sich durch diese Zeichen erwecken ließen? Solange sie im Tempel ihren Geisterdienst versahen, waren sie ja bloß Gefäße und Werkzeuge der Geister, willenlos und damit wohl auch gedächtnislos. Also besaßen allein die Geister dieses Wissen und nicht einmal die obersten Zauberpriester waren eingeweiht. Oder verhielt es sich auch hier so ähnlich wie bei der »Geisterpforte« im Tempelboden? Dann wären es letztlich doch die Priester, die aus der Tiefe ihrer Seele das Wissen schöpften, welche magischen Schriftzeichen im jeweiligen Fall am wirksamsten waren. Und das würde ja bedeuten, dass auch alle vermeintlichen »Geisterkräfte« eigentlich aus ihrem eigenen Innersten stammten, so wie Träume und Gefühle.
    Amos wurde immer schwummriger zumute, je angestrengter er über diese verwickelten Zusammenhänge nachdachte. So war er beinahe erleichtert, als ihnen schließlich ein Wächter und eine Wächterin in den Weg traten.

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