OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger
durch gewisse magische Praktiken mit diesen Geistern in Verbindung treten und so beispielsweise in die Zukunft schauen oder auch mit längst verstorbenen Personen kommunizieren. All das ist aus Sicht der katholischen Kirche reinstes Ketzertum – aber Trithemiusversichert wiederum, dass er lediglich die Lehren antiker Gelehrter wiedergebe, ohne sie deshalb zu teilen.
Erstaunlicherweise kommt er mit dieser durchsichtigen Rechtfertigung durch. Die Chronologia mystica hat Trithemius sogar dem gut katholischen Habsburger-Kaiser Maximilian I. gewidmet, dem mächtigsten seiner zahlreichen Gönner.
Das »Schottenkloster« in Würzburg
Zu Trithemius’ einflussreichen Beschützern gehört auch der Würzburger Fürstbischof Lorenz von Bibra, der ihm 1506 die Leitung des Schottenklosters Sankt Jakob in Würzburg anbietet. Erleichtert nimmt der aus Sponheim verjagte »Bücherpapst« dieses Angebot an – anders als im Roman dargestellt, hat er zu diesem Zeitpunkt ein mehrmonatiges Wanderleben hinter sich und fühlt sich entkräftet und mutlos. Das Würzburger Kloster wird er zwar noch ein ganzes Jahrzehnt leiten; doch den Verlust seiner einzigartigen Büchersammlung hat er wohl zeitlebens nicht mehr verwunden: Er stirbt 1516, mit 54 Jahren, und noch in seinem Sterbejahr beklagt er in zahlreichen Briefen, dass er von seinen Büchern abgeschnitten ist. Zumindest den Überfall der Inquisition auf sein Schottenkloster musste er jedoch in Wirklichkeit nicht erdulden: Weil Kaiser und Fürstbischof ihre schützenden Hände über ihn hielten, blieb Trithemius und ganz Würzburg die Explosion der Schießpulvertruhen erspart.
Der Name des »Schottenklosters« geht auf die drei iro-schottischen Missionare Totnan, Kilian und Kolonat zurück, mit denen in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts die Christianisierung Frankens begann. Ob der »Schottenanger«, auf dem das Kloster noch heute steht, bereits in vorchristlicher Zeit eine Kultstätte war, ist nicht überliefert; doch unstrittig ist, dass der Marienberg, auf dem später die Festung der Fürstbischöfe errichtet wurde, in antiker Zeit von den Kelten besiedelt war. Um 1000 v. Chr. standen dort eine keltische Fliehburg, und anzunehmen ist, dass derBerggipfel auch jahrtausendelang als »heidnische« Kult- und Opferstätte diente.
Sieben Geister und das »Buch Gottes« in der Bibel
Mit seinen »ketzerischen« Spekulationen über die »Planetengeister« knüpft Trithemius zumindest teilweise auch an biblische Überlieferung an. Vor allem die neutestamentarische Offenbarung des Johannes enthält einige erstaunliche Aussagen über Existenz und Wirken der Geister im Himmel und auf Erden. »Von dem Thron [Gottes] gingen Blitze, Stimmen und Donner aus«, heißt es dort etwa. »Und sieben lodernde Fackeln brannten vor dem Thron; das sind die sieben Geister Gottes.« (Offenbarung 4,5)
Auch der Vergleich der göttlichen Schöpfung mit einem »Buch«, den im Roman vor allem Bruder Egbert mehrfach zieht, findet sich bereits in der Offenbarung des Johannes . »Der Himmel verschwand wie eine Buchrolle, die man zusammenrollt«, heißt es dort in der prophetischen Vision des Jüngsten Tages. ( Offenbarung 6,13)
Und nicht anders als Kronus oder Trithemius, Amos und Klara in meinem Roman erlangt auch der biblische Seher Johannes seine magischen Kräfte, indem er sich ein wunderkräftiges Buch einverleibt – sogar in wortwörtlichem Sinn: »Und ich sah: Ein anderer gewaltiger Engel kam aus dem Himmel herab … In der Hand hielt er ein kleines aufgeschlagenes Buch … Und die Stimme aus dem Himmel, die ich gehört hatte, sprach noch einmal zu mir: Geh, nimm das Buch, das der Engel, der auf dem Meer und auf dem Land steht, aufgeschlagen in der Hand hält. Und ich ging zu dem Engel und bat ihn, mir das kleine Buch zu geben. Er sagte zu mir: Nimm und iss es! In deinem Magen wird es bitter sein, in deinem Mund aber süß wie Honig. Da nahm ich das kleine Buch aus der Hand des Engels und aß es auf.« ( Offenbarung 10,1–10)
Vom essbaren Engelbuch bis zu Trithemius’ Planetengeister-Werk gab es also etliche wundersame Geisterbücher, die die Menschengerade zu jener Zeit stark beschäftigten – und die ihren Lesern jeweils »magische« Kräfte verliehen. Doch mit ihrer Einsicht, dass die Magie fortan nur noch in den Künsten überdauern könne und dürfe, waren Kronus und die »Dichter« innerhalb des Opus Spiritus ihrer Zeit wohl weit voraus. Selbst bedeutende Gelehrte des endenden Mittelalters
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