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OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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und Klara. Das Augenzeichen auf seinem Kruzifix erstrahlte im Schein der vielerlei Fackeln, als er seine Arme um ihre Schultern legte und dabei ausrief: »Denn wisset, meine Freunde: Diese beiden hier haben ihr Leben gewagt, um die Geheimnisse der Geister vor der Vernichtung zu bewahren. Und so dürfen wir weiterhin hoffen und glauben, dass wir bald schon von der Höllenknechtschaft erlöst sein werden, in die der leibhaftige Satan auf dem Papstthron die Christenheit gestürzt hat.«
    Abermals wechselten Amos und Klara verwunderte Blicke. In den Augen von Cellari und Skythis war
Das Buch der Geister
ein Höllenwerk, vom Teufel Kronus erschaffen, und Inquisitoren und Bücherjäger führten im Namen Gottes einen verzweifelten Kampfgegen die angeblich satanische Bruderschaft. Aus der Sicht von Bruder Egbert aber verhielt es sich gerade umgekehrt. Doch Amos spürte, dass weder die eine noch die andere Seite gänzlich im Recht sein konnte. Ordensmitglieder wie Kronus, Mutter Sophia und wohl auch dieser Egbert hatten sich der Bruderschaft ja bestimmt nur aus menschenfreundlichen Beweggründen angeschlossen. Aber was beispielsweise den Zauberer Faust betraf, oder gar jene Ordensbrüder, die allem Anschein nach angeordnet hatten, die Eltern von Klara, Leander und ihm selbst umzubringen – die verfolgten doch offenbar ganz andere Ziele. Nur um welche Ziele es sich dabei handeln mochte, das lag für ihn weiterhin im Dunkeln, sooft sich Amos auch den Kopf deshalb zerbrach.
6
    S
päter an diesem Tag
, nachdem sie sich ein wenig gestärkt und erfrischt hatten, nahmen Amos, Klara und Johannes an einem »Gottesgeisterdienst« teil – so nämlich hieß die feierliche Zeremonie, die Bruder Egberts Gemeinde zu Ehren von »Gottes guten Geistern« abhielt.
    Mit der Heiligen Messe, wie katholische Priester sie zelebrierten, hatte diese Feier keinerlei Ähnlichkeit. Es wurde kein Weihrauch verbrannt, niemand leierte mehr oder weniger unverständliche Litaneien und vor allem gab es keinen Priester. Auch wenn Bruder Egbert bei seinen Leuten augenscheinlich größte Verehrung genoss – an diesem Gottesgeisterdienst nahm er nur als einfaches Gemeindemitglied teil. Die Leute lasen abwechselnd aus der Heiligen Schrift vor, die sie zu Amos’ Verblüffung offenbar ins Deutsche übersetzt hatten. In der katholischen Messe wurde die Botschaft der Bibel immer nur auf Lateinisch verkündet, sodass die allermeisten Kirchenbesucher höchstens dem groben Sinn nach auffassen konnten, was ihnen da gerade gepredigt wurde.
    Von Müdigkeit nach ihrer abenteuerlichen Flucht und mehr noch von den vielerlei neuen Eindrücken überwältigt, behielten Klara und Amos von dieser Zeremonie nur einige traumhafte Fetzen im Gedächtnis. Wie die allerersten Christen, die sich vor anderthalb Jahrtausenden unter Todesgefahr in römischen Katakomben versammelt hatten, so kamen Amos diese hageren und zerlumpten Leute vor. Von Hunger und Erschöpfung gezeichnet, doch mit verklärtem Lächeln und leuchtenden Augen – so standen und saßen sie in der riesenhaften Felskathedrale und sangen Lieder zu Ehren der guten Geister, die Gott ausgesandt habe, um die irdische Welt zu erschaffen und zu behüten. Dann wieder stand einer von ihnen auf, strich sich den verwilderten Bart und las einige Absätze aus der ins Deutsche übertragenen Bibel vor. Von Gottes Thron war da einmal die Rede – »von dem Thron gehen Blitze, Stimmen und Donner aus und sieben lodernde Fackeln brennen vor dem Thron – das sind die sieben Geister Gottes.«
    Die sieben Geister Gottes? Verwundert sahen sich Amos und Klara an. Also kamen die Geister auch in der Heiligen Schrift der Christen vor – und sogar als die nächsten Vertrauten Gottes! Aber wieso verdammten und verfolgten der Inquisitor und der Zensor dann
Das Buch der Geister
als angebliches Teufelswerk?
    Von vielerlei mächtigen, wahrlich Furcht einflößenden Geistern lasen die frommen Leute bei diesem Geisterdienst aus der Bibel vor. »Und in der Mitte rings um den Thron des Herrn sind vier Geisterwesen« , hieß es da beispielsweise. »Jedes von ihnen hat sechs Flügel, außen und innen voller Augen. Und unaufhörlich erweisen sie dem, der auf dem Thron sitzt und in alle Ewigkeit lebt, Herrlichkeit und Ehre und Dank.«
    Johannes Mergelin hockte neben Klara auf dem Felssims, aber er bekam von dem Gottesgeisterdienst nicht das Geringste mit. Sein Kopf lehnte an einem Stalaktiten – einer Tropfsteinsäule, die, in sich gedreht wie eine

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