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OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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zerfurcht. Auf einen Knotenstock gestützt, kam er auf sie zu, und trotz der ungewissen Lichtverhältnisse erkannte Amos ihn auf der Stelle wieder.
    Es war der Prediger, der ihn selbst und seine beiden Geleitsoldaten damals bei Pegnitz mit der wilden Horde umzingelt hatte. Mit genau diesem Wanderstock, den er auch jetzt bei sich trug, hatte er auf Amos gezeigt und dazu ausgerufen: »Tut Buße – das Ende der Welt ist nah!«
    »Ich bin Bruder Egbert«, sagte er jetzt und reichte Klara eine Hand, um ihr aus dem Sattel zu helfen. Verzeiht, dass ich mich eben in euer Gespräch eingemischt habe , fügte er auf dem Gedankenweg hinzu und nickte auch Amos mit einem freundlichen Lächeln zu. Aber ich konnte einfach nicht widerstehen – ich habe leider nur noch sehr selten Gelegenheit, mich auf diese Weise zu unterhalten .
    Amos sah Bruder Egbert abwartend an. So finster der hagere Prediger ihn damals bei Pegnitz angestarrt hatte, so gelassen, ja heiter kam er ihm diesmal vor. »Ich bin Amos von Hohenstein«, sagte er und reichte dem alten Mann seine Hand.
    Egbert ergriff sie und hielt sie fest. Sein Lächeln wirkte nun geradezu andächtig. »Valentin hat mir so viel von dir erzählt«, sagte er. Ein Schatten huschte über sein faltiges Gesicht. »Ich vermisse die Gespräche mit meinem alten Freund sehr«, fügte erhinzu. »Mit Valentin konnte ich stundenlang debattieren, auch wenn wir nicht immer einer Meinung waren.«
    »Ihr habt also auch keine Verbindung mehr zu ihm, seit der Inqui…«
    Sieh dich vor , fiel ihm Egbert auf dem Gedankenweg ins Wort. Außer mir ist hier niemand in die tieferen Dinge eingeweiht . Er ließ Amos’ Hand los und deutete auf die Menschenmenge, die sich unterdessen um den Felssockel inmitten der Höhle versammelt hatte. Es war offenbar dieselbe »wilde Horde«, die gestern die Kutsche überfallen hatte – vier Dutzend Leute, Männer und Frauen, die meisten in mittleren oder jungen Jahren. Auch einige Kinder bemerkte Amos nun, und sie alle trugen zerlumpte Kleidung und sahen so abgemagert aus, als ob sie sich nur selten satt essen könnten.
    »Nein«, fuhr Bruder Egbert halblaut fort, »die Verbindung zu ihm ist abgerissen. Jahrzehnte lang haben wir uns wenigstens einmal pro Woche auf Geisterweise unterhalten – oder nach Art der Engel, wie wir früher im Kloster diese Kunst des Gedankengesprächs zu nennen pflegten. Was verwundert dich daran so sehr?«
    Der hagere Alte sah ihn aus großen Augen an, aber es waren nicht Egberts Worte, die Amos derart in Erstaunen versetzten. Auch Kronus hatte er schon sagen gehört, dass er »ein wenig wie die Engel« sein werde, wenn er erst
Das Buch der Geister
gelesen und sich zuinnerst angeeignet hätte.
    »Euer Kreuz, Herr, verzeiht«, sagte er und deutete auf das Kruzifix, das Egbert an einer einfachen Hanfschnur um den Hals trug. »Darf ich einen Blick darauf werfen?«
    »Schau es dir nur in Ruhe an.« Egbert trat näher zu ihm heran und Amos betrachtete mit freudiger Verwunderung die beiden Symbole, die das Holzkreuz schmückten.
    Genau dort, wo sich die Balken kreuzten, prangte ein weit geöffnetes Auge, blau wie der strahlendste Sommerhimmel und in ein Dreieck aus feinen Silberwolken gefasst. Darüber schwebteeine Buchrolle, deren Siegel teilweise geöffnet waren, sodass sie sich aufzurollen schien. Wenn man genau hinschaute, konnte man im Innern der Rolle einzelne Zeichen ausmachen, aber was sie darstellen sollten – Buchstaben oder vielleicht auch die Umrisse von Vögeln, die hoch oben am Himmel flogen – blieb unbestimmt.
    Amos trat wieder ein wenig zurück und neigte leicht seinen Kopf. »Ich danke Euch, Herr. Ihr könnt Euch wohl vorstellen, wie sehr es mich erstaunt, diese Symbole auf Eurem Kruzifix zu erblicken. Bis eben noch glaubte ich, dass sie beide zusammen nur auf dem geheimen Wappen der Edlen von Hohenstein zu finden wären.«
    Bruder Egbert nickte und lächelte. »Es sind Symbole Gottes, Seiner Geister und Seiner Schöpfung. Ein frommer Ritter kann sie ebenso gut in seinem Wappen tragen wie ein abtrünniger Mönch auf seinem Kreuz.«
    Während Amos noch überlegte, was er auf diese rätselhaften Worte antworten sollte, winkte Bruder Egbert einige seiner Leute herbei. »Zeigt unseren jungen Gästen, wo sie sich einrichten können – am besten in dem kleinen Felsgelass gleich hinter dem Geistersaal. Bringt ihnen alles, was sie für ihre Bequemlichkeit brauchen.« Er schob sich den Knotenstock unter seinen Gürtel und trat zwischen Amos

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