OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger
Feigling halten. Aber ich bin ein alter Mann, und in manchen Momenten kommt es mir vor, als könnte ich die Last nicht länger tragen.«
Klara lächelte ihm aufmunternd zu. »Ihr seid mutig und stark, Herr. Ihr behütet Eure Gemeinde wie ein Hirte seine Schafe. Ihrhabt uns vor den Purpurkriegern gerettet, und Valentin Kronus hat sein Leben lang Euren Rat und Beistand gesucht. Wie könnt Ihr da an Eurer eigenen Stärke zweifeln?«
Bruder Egbert schien ein wenig getröstet, doch schon im nächsten Moment wurde er abermals bleich.
»Aber erzählt doch«, fuhr Klara nämlich fort, »was ist damals im Kloster zu Maulbronn passiert? Ihr sagtet, ein Kind sei dort angeblich vom Teufel gezeugt worden – ausgerechnet im Kloster?«
Der Blick des alten Mannes wurde hart und starr. »Deshalb wollte ja zuerst niemand daran glauben. Aber der Prior Johannes Burrus, der sich damals gerade im Klosterkeller aufhielt, hat bei allen Heiligen geschworen, dass er mit eigenen Augen gesehen hätte, wie die Küchenmagd von einer teuflischen Kreatur geschändet worden sei. Und als der Junge dann sieben Monate später zur Welt kam, hat es sogar einigen der hartnäckigsten Zweifler den Atem verschlagen.«
Klara warf Amos einen Blick zu. »Was war mit dem Jungen?«, fragte sie.
Auf diese Frage hin schwieg Bruder Egbert so lange, dass sie beide schon kaum mehr mit einer Antwort rechneten. Der alte Mann kämpfte sichtlich mit sich selbst – er bewegte die Lippen, schüttelte dann wieder den Kopf, ächzte und seufzte. Doch schließlich schien er einen Entschluss gefasst zu haben.
Er sah von Klara zu Amos und sagte in nüchternem Tonfall. »Dieser Knabe hat von Anfang an die seltsamsten und unheimlichsten Gaben an den Tag gelegt. Von jungen Jahren an ist er im Kloster aus und ein gegangen. Jener Prior Burrus, der mittlerweile Abt von Maulbronn war, und der Benediktiner Trithemius sollen sich auffällig um den Jungen gekümmert haben. Das weiß ich allerdings nur noch vom Hörensagen – denn da hatte ich auch das Kloster Maulbronn längst wieder verlassen und die Mönchskutte an den Nagel gehängt.« Er fuhr sich mit breiter Hand über sein Gesicht. »Das alles ist nun auch schon mehr als drei Jahrzehnteher und aus dem Knaben mit den brennend blauen Augen ist längst ein Mann geworden. Ihr müsstet ihn in Bamberg ja getroffen haben – sein Name ist Georg Faust.«
»Faust«, wiederholte Amos. »Ja, wir haben ihn kennengelernt.« Er erschauerte bei dieser Erinnerung. »Aber Ihr glaubt doch nicht, Herr, dass an dem Gerücht irgendetwas Wahres ist – ich meine, dass Faust vom Teufel gezeugt worden wäre?«
»Vom Teufel?«, antwortete Egbert. »Nein, natürlich nicht – das ist bloß ein törichter Aberglaube.« Er verfiel aufs Neue in Schweigen. »Aber wie auch immer«, fuhr er irgendwann fort, »dass dieser Faust in die Bruderschaft aufgenommen worden ist, kann ich bis heute nicht verstehen. Und noch weniger gutheißen – auch wenn du es wohl vor allem Faust zu verdanken hast, dass wir dich da oben im Wald befreien konnten.«
Er sah Amos an. Faust sei es gewesen, fügte er hinzu, der Fürstbischof Georg dazu überredet habe, seinen Gefangenen nicht sogleich den Purpurkriegern auszuliefern, obwohl die ja einen eigenen Stützpunkt in seiner Burg besäßen. Wenn er Amos von Hohenstein, von den verlässlichsten seiner Soldaten bewacht, auf Nebenstraßen nach Nürnberg bringen lasse, könne ihm später niemand vorwerfen, dass er Inquisitor Cellari nicht nach Kräften unterstützt hätte – auch wenn der Gefangene unterwegs möglicherweise abhanden kommen würde. So hatte Georg Faust auf seinen Vornamensvetter eingeredet, und der Fürstbischof hatte sich nur allzu gern überzeugen lassen – schließlich war er selbst bis zur Halskrause in die ganze Angelegenheit verwickelt. Und wenn Amos von Hohenstein mitsamt dem satanischen Geisterbuch unauffindbar verschwinden würde, dann könnte der Inquisitor auch keinen Prozess anzetteln, bei dem alle möglichen unangenehmen Wahrheiten ans Tageslicht kommen würden.
Amos’ Gedanken wirbelten. »Heißt das etwa – Faust wollte, dass ich bei dem Überfall oben im Wald zu Tode kommen würde?«
Bruder Egbert schüttelte den Kopf. »Der Fürstbischof sollte nur glauben, dass die Bruderschaft alle Schwierigkeiten beseitigen würde – mit welchen Mitteln auch immer.«
»Aber er ist ein Bischof«, rief Klara aus. »Wie konnte er mit so etwas einverstanden sein?«
»Er hat Angst«, antwortete Egbert.
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