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OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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bemerkten, dass die Fährte, der sie folgten, längst erkaltet war. Egbert selbst und seine Leute würden unterdessen einem Bachlauf folgen, der im Innern des Berges in südöstliche Richtung verlief, und erst unweit des Städtchens Pegnitz wieder ans Tageslicht zurückkehren. Amos und Klara hatten mit ihm noch nicht darüber gesprochen, aber bestimmt hätte Egbert nichts dagegen, dass sich Johannes seiner Schar anschließen und zumindest anfangs in ihrem Schutz reisen würde. Allerdings würde er auf diese Weise nur sehr langsam vorankommen. Aber wenn er sich auf der belebten Handelsstraße sehen ließe, die entlang der Pegnitz in Richtung Süden führte, dann würden wohl bald schon Cellaris oder Skythis’ Späher auf ihn aufmerksam werden.
    Am liebsten wäre Amos auf der Stelle mit Klara auf und davon geritten – sie beide abwechselnd im und hinter dem Sattel der treuen Füchsin sitzend, die sie schon von Wunsiedel bis Bamberg getragen hatte. Aber draußen über Wald und Bergen musste mittlerweileschon wieder der Abend dämmern – also blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich bis morgen früh zu gedulden.
    Vielleicht fällt mir bis dahin ja ein, dachte Amos, wo wir uns vor den Purpurkriegern verstecken können. Aber er hatte den ganzen Tag über fast unaufhörlich darüber nachgegrübelt und war letztlich immer zu demselben entmutigenden Schluss gekommen: Auf der ganzen Erde gab es nirgendwo einen Ort, an dem sie vor dem Inquisitor und seinen Häschern wirklich sicher wären.
    Das »Buch aus Tropfstein« befand sich in einer kleinen Höhle am Ende eines schmalen Felsgangs. Der Zugang war so eng und die Höhle selbst so winzig, dass man nur einzeln hineingelangte. Bruder Egbert trat zur Seite und deutete einladend auf den Spalt in der Wand. »Geh nur hinein«, sagte er, »ich kenne das Wunder ja schon. Aber auch ich kann mich noch immer nicht daran sattsehen.« Er reichte ihm seine Fackel und Amos zwängte sich in das Felsgelass.
    Es hatte die ungefähren Umrisse eines aufrecht stehenden halben Eis. In seiner Mitte ragte ein Stalagmit empor, dem von der gewölbten Decke her ein ebenso kunstvoll in sich gedrehter Stalaktit entgegenwuchs. In dem Zwischenraum zwischen diesen beiden Säulen schien ein Gebilde zu schweben, das in der Tat aufs Verblüffendste einem aufgeschlagenen großformatigen Buch glich. Der Eindruck des Schwebens rührte daher, dass das Buch oben und unten durch unzählige haarfeine Tropfsteinstege mit den beiden Säulen verbunden war. Auch das silberweiß glitzernde, fast durchscheinende Material verstärkte die Illusion, dass das Buch wie schwerelos in dieser winzigen Höhle schwebte, die ihrerseits das feierliche Gepräge einer Altarnische besaß.
    Amos beugte sich über die aufgeschlagenen Seiten. Sie waren mit Zeichen übersät, die in nahezu waagrechten Zeilen angeordnet waren. Doch als er sie zu entziffern versuchte, erging es ihm nicht anders als früher stets mit den goldenen Lettern, die die Rückwand von Kronus’ schwarzem Schreibpult bedeckt hatten:Obwohl es sich offenkundig um Schriftzeichen handeln musste, konnte er keine einzige Silbe lesen.
    »Als ich zum ersten Mal dort gestanden habe, wo du jetzt stehst«, ließ sich Bruder Egbert vom Gang her vernehmen, »da sind mir die Augen aufgegangen und das tiefste Geheimnis der Schöpfung hat sich mir offenbart. Seitdem weiß ich in meinem Herzen, dass hier, an der innersten Stelle des Berges, Gott selbst uns dieses Buch aus rinnendem Stein hinterlassen hat – als Zeichen, dass Seine ganze Schöpfung nichts anderes als ein gewaltig großes Buch ist, das Er mithilfe Seiner Throngeister erschaffen hat.«
    Amos sah noch immer wie gebannt auf die rätselhaften Schriftzeichen hinab, und ihm war, als ob das Buch selbst durch Bruder Egbert diese geheimnisvollen Worte zu ihm spräche: »Wirklich und lebendig sind wir alle hier auf Erden nur, solange Gott uns liest. So wie auch ein gewöhnliches Buch bloß einen Haufen toter Blei- oder Tintenschnörkel enthält, wenn es vergessen in irgendeinem Winkel liegt – wohingegen eine ganze Welt zauberisch aus den Seiten aufsteigt, wenn jemand darin zu lesen beginnt. Und dass wir einst bei Gott im Himmel sein werden, heißt nichts anderes, als dass auch wir schließlich imstande sein werden, in Seinem Buch zu lesen, anstatt bloß darin zu leben.«
    Amos hatte den Mund schon für eine Antwort geöffnet, aber dann machte er ihn wieder zu. Auch er spürte ganz deutlich, dass dieses uralte steinerne

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