Oracoli (German Edition)
entgegnete mit ernster Miene: »Mein Name ist Siegfried Gerber«, er schielte zu Max, dann richtete er seinen kalten Blick wieder auf Roland. »Und das ist mein Bruder Max.« Während Siegfried eine Verbeugung andeutete, musterte Max, die Hände hinter seinem Rücken verschränkt, das Büro. Roland ging zum Schreibtisch. Er drückte die gelbe Taste der Gegensprechanlage: »Wo bleibt der Kaffee, Frau Sandweg?« Ohne eine Antwort abzuwarten, tippte er auf die blaue Taste. »Ferdinand, kommst Du bitte, die Herren Detektive sind jetzt schon da.« Er schaltete das Gerät ab und begab sich zu den Brüdern, die am Fenster standen und hinausschauten. »Bitte, meine Herren, nehmen Sie doch Platz, mein Bruder müsste gleich hier sein.« Roland zog zwei Stühle des Konferenztisches zurück, auf denen sich die Brüder setzten. Roland lief ungeduldig durchs Büro und schaute ständig auf seine Armbanduhr.
Es klopfte, dann öffnete sich die Tür. Ferdinand kam nicht alleine, er hatte Cora mitgebracht, die einen Block in der Hand hielt. Roland ging auf seinen Bruder zu und fasste ihn am Arm. »Ich muss mit Dir sprechen – draußen«, zischte er. Er lächelte den Brüdern zu, die ihn verwundert ansahen. »Entschuldigen Sie uns bitte kurz, ich erkläre es Ihnen gleich«, sagte Roland, und verschwand mit Ferdinand. Cora ahnte, dass die Heimlichtuerei mit ihr zusammenhing. Man würde sie wegschicken, nur warum? Sie wäre aber zu gerne dabei geblieben und hätte ihr Gespräch verfolgt. Warum war die Polizei nicht hier? Warum Privatdetektive? Warum die besorgten Gesichter ihrer Chefs? Cora platzte fast vor Neugier. Dann hatte sie eine Idee, sie bewegte sich wie selbstverständlich zu Rolands Schreibtisch, dort setzte sie sich auf den Besuchersessel. Die Brüder gafften sie an. Cora lächelte und nickte ihnen zu. Sie nickten mit ernsten Mienen zurück, danach schauten sie endlich wieder aus dem Fenster. Blitzschnell drückte sie die blaue Taste herunter. Cora wusste, dass diese einrastet. Vor zwei Jahren ließ Roland Stark extra dafür einen Techniker des Herstellers kommen, der einen Schalter zum einrasten einbaute. Nur so war es Roland möglich gewesen, seinem Bruder Standpauken zu halten, ohne ständig mit dem Finger die Taste drücken zu müssen.
Schließlich kamen die Stark-Brüder auch schon wieder herein. Ferdinand ging direkt zu Cora. »Ich brauche Sie hier nicht, Frau Lahn, Seien Sie so gütig und setzen die Arbeit an meinem Manuskript fort.«
»Natürlich«, sagte Cora und verließ das Büro.
Cora kniete nun vor Ferdinands Gegensprechanlage, die noch immer auf dem Boden lag. Dass sie funktionierte, wusste sie. Roland hatte vorhin über die Anlage ihren Chef informiert, dass die Detektive gekommen sind. Es war leise, aber Cora erkannte Rolands Stimme: »… nein, die Polizei wird nicht eingeschaltet, Ferdinand, Polizei bedeutet Öffentlichkeit, und die brauchen wir am wenigsten. Und Sie, meine Herren, ich hoffe Sie sind genauso gut wie die Polizei und werden Ihrem Ruf gerecht.«
Die Vier saßen am Konferenztisch, Roland hielt eine Packung Orácoli in der Hand.
»Orácoli ist unser stärkstes Produkt«, begann er stolz. »Unser Vater hat es 1963 erfunden. Es war die Zeit, als man Italien bereiste, Italien war absolut in. Mit Orácoli brachte er ein wenig Italien nach Deutschland, es war das erste Fertiggericht dieser Art. Orácoli schlug ein wie 'ne Bombe. Die Konkurrenz ließ nicht lange auf sich warten, immer mehr Spaghetti Gerichte kamen auf den Markt und immer versuchte man, unsere Würzmischung nachzuahmen. Seit über 40 Jahren ohne Erfolg, wie Sie vielleicht wissen. Orácoli ist mittlerweile in ganz Europa bekannt. Orácoli ist teurer als andere Nudelgerichte. Da aber unser Gericht vom Geschmack her unschlagbar ist, wird der Preis gerne gezahlt. Nun können Sie sich vorstellen, was für uns auf dem Spiel steht. Nicht auszudenken, wenn Knorr, Maggi oder Unox die Würzmischung in die Finger kriegen. – Sie müssen uns helfen, das Rezept wieder zu bekommen.«
Max Gerber starrte unterdessen desinteressiert die Wände an, sein Blick blieb am Foto Papa Starks kleben, das er zwischen den abstrakten Gemälden entdeckte. Dann schaute er Ferdinand an, der vor sich hin träumte. Er glotzte hin und her, Foto – Ferdinand – Foto – Ferdinand. Er hatte dabei einen ziemlich blöden Blick, während sein Mund offen blieb. Roland steckte sich eine Zigarre an und betrachtete nachdenklich die Glut.
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