Oracoli (German Edition)
»Fabelhaft, das ist die schönste Grafik von allen zehn.« Diesmal holte Magnus das Buch hervor und schlug es auf. Er wollte den direkten Vergleich haben. Sein Blick wechselte hin und her, bis er schließlich Cora mit offenem Mund ansah. »Sie haben ein fotografisches Gedächtnis, Cora.« Er sah wieder auf die Zeichnung. »Die machen Angst, diese Dämonen … sie sind ein Genie.«
»Drehen Sie die Zeichnung doch mal um, Magnus.« Er betrachtete die Zeichnung Kopf stehend. »Nein«, rief er wie Homer Simpson, »Sind Sie wahnsinnig? Wenn die das merkt.«
»Die ist so auf ihr Geld fixiert, die merkt das nicht.«
»Aber warum machen Sie das? Die Fälschungen wären nie im Leben als solche erkannt worden. Die sind alle perfekt. Aber diese letzte hier könnte oder wird wahrscheinlich auffliegen. Warum nur, Cora, sagen Sie mir das bitte.«
»Weil, nach alldem, was die Frau mir angetan hat, sich durch mein Zutun nicht auch noch bereichern darf. Verstehen Sie das, Magnus?«
Er dachte darüber nach. Natürlich war das ein überflüssiges Risiko, dass sie dadurch schaffte. Aber Magnus verstand ihren Rachedurst sehr gut. Und als er dann an den Handel mit der Zobiak zurückdachte, an seinen blutig gekratzten Arm, an die armen Vitten … »Sie haben völlig Recht, Cora, die darf dabei keinen Cent verdienen.«
Am nächsten Tag brachte Magnus das Werk zur Galerie. Er fühlte sich diesmal nicht wohl bei der Sache. Doch die Galeristin war begeistert und zahlte die restliche Summe ohne weiteres aus.
»Wenn ich noch Fragen bezüglich der Bilder habe, wie kann ich Sie erreichen, Herr Gilbert?« Magnus hatte sich schon gewundert, dass sie bei seinem letzten Besuch nicht danach gefragt hatte. Er gab ihr eine Visitenkarte, die ins Nichts führte, aber sie war schön gestaltet.
Während Magnus bei Sonja Zobiak war, hatte Cora ihren Krankenschein verlängern lassen. Magnus stand schon vor ihrer Haustür, als sie nach Hause kam. In der Linken hielt er eine Flasche Champagner, in seiner rechten Hand befanden sich Geldscheine, mit denen er hin und her wedelte. Sie zogen sich ins Atelier zurück, wo sie ungestört ihren geglückten Coup feiern konnten. Magnus hielt feierlich sein Glas nach oben. »Auf die größte Kunstfälscherin aller Zeiten.« Sie stieß ihr Glas gegen das seine und lachte. »Und auf den größten Gauner aller Zeiten.« Sie umarmten sich, sahen sich in die Augen und verharrten so einen Moment. Schließlich küssten sie sich innig.
Am nächsten Morgen hatte sich Cora aus dem Bett geschlichen, sie wollte Magnus nicht wecken, der noch tief und fest schlief. Bestens gelaunt kaufte sie Brötchen, Zeitung und alles was man sonst noch für ein gemeinsames Frühstück im Bett brauchte. Sie war das erste Mal wieder seit langer Zeit richtig glücklich.
Magnus schlief noch immer, als Cora mit einem Tablett das Schlafzimmer betrat. Sie hatte es sich wieder in ihrem Morgenmantel gemütlich gemacht. »Hm, was für ein Duft«, sagte Magnus verschlafen. Cora stellte das Tablett ab und öffnete die Vorhänge. Dann zog er sie ins Bett und küsste sie. Cora sprang wieder heraus, stellte Magnus das Tablett auf die Brust, zog sich aus und krabbelte nackt unter die Decke. Magnus stellte das Tablett beiseite und nahm Cora in seine Arme.
Magnus lag im Bett und las die Zeitung, Cora öffnete die Fenster, blieb dort stehen und genoss die Sonnenstrahlen auf ihrer Haut, das sommerliche Wetter beflügelte ihre gute Laune. Magnus richtete sich plötzlich auf. »Oh, die ist ja verdammt fleißig, unsere Galeristin. Hör Dir das an:
SENSATION IN DER KUNSTWELT
Die renommierte Galeristin Sonja Zobiak, Inhaberin der Galerie Zobiak in Dortmund, entdeckte die Vorstudien des Isenheimer Altars von Matthias Grünewald. Insider spekulieren, dass bei der bevorstehenden Auktion bei Christies ca. zwei Millionen Pfund für die zehn Vorstudien erzielt werden könnten.
»Na siehst Du, alle haben heute Spaß, ist das nicht schön? Sie sollte die kurze Zeit der Freude genießen.«
»Ich mag sie ja auch nicht, Cora, trotzdem habe ich einen Bammel, wenn alles rauskommt.«
»Du hast doch mich, ich beschütze Dich schon.« Er sprang aus dem Bett, nahm sie gefangen und zog sie ins Bett. So liebten sie sich noch den restlichen Tag und ließen den lieben Gott einen guten Mann sein.
Sonja Zobiak spazierte am Moldau-Ufer entlang und genoss den Prager Sonnenuntergang.
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